Manchmal genügen Stimmenverzerrer und Umhang nicht, um Batman zu sein.
Es ist eigentlich einfach: ich mag Batman und ich schaue gern Batman-Filme. Daher habe ich mich auf den aktuellen interaktiven Fil- oh, ich meine: das aktuelle Spiel von Telltale Games natürlich gefreut. Aber manchmal sollte man den Tag nicht vor dem Abend loben. Gerade in Gotham kann die Nacht sehr lang und grausam sein.
Ich war grundsätzlich prädestiniert für Batman – The Telltale Series. Es kombiniert zwei Dinge, die ich tatsächlich sehr schätze. Viele Spiele von Telltale Games haben mich gut unterhalten und auch wenn ich immer wieder die gleichen Dinge kritisiere, freue ich mich auf jede Neuerscheinung. Und Batman, ja, Batman nimmt einen ganz besonderen Platz in meinem Leben ein.
Als ich klein war, fand ich mich sehr besonders. Die schnöde Alltäglichkeit des Lebens derer, die sich nach dem Tageslicht richteten, irritierte mich. Das sagt uns zwei Sachen: ich war ein furchtbares Gör und Langschläfer.
Aber es gab noch einen anderen Grund: ich fand die Nacht spannend und mysteriös. Sie war romantisiert gefährlich und irgendwie „erwachsen“. Was ich als junger Mensch mitten im Hormonchaos halt für gefährlich und erwachsen hielt. Entsprechend hatte ich einen Hang zu den düsteren Gestalten bzw. den „Bösen“ der Geschichten: Darth Vader, James Hook, Draco Malfoy – meine Güte, ich fand selbst Long John Silver aus Muppets – Die Schatzinsel toll (Hormone! Dummheit! Irgendetwas.).
Da war es für meine gebeutelte Mutter glatt eine Erleichterung, dass ich Batman für mich entdeckte. Endlich mal einer von den Guten, wobei wir natürlich alle wissen:
„You either die a hero or you live long enough to see yourself become the villain.“
Sagt das meiner Mama aber bitte nicht.
Genau das war es jedoch, was mich so faszinierte. Batman ist der Borderline-Held – eigentlich zentrale Figur der Schönen und Reichen Gothams als „Stadtadel“ Bruce Wayne, andererseits aber gebeutelt von Schuld und Sühne, gefangen in seiner eigenen düsteren Dramatik und einer sehr interessanten Definition von Rechtschaffenheit. Im Endeffekt könnte die Selbstinszenierung Batmans der Feder eines Teenies entstammen: schlechte Einzeiler, überdramatische Kostümierung, immer im Recht – kurz: von mir damals. Weder Nippelbatman Val Kilmer noch Weichspülermann George Clooney konnten mich abschrecken (seit The Dark Knight ist ohnehin wieder alles gut). Batman war düster und gebeutelt. Er verstand mich.
Als Batman – The Telltale Series also am Horizont erschien, hüpfte mein innerer Teenie auf und ab und schrie superlevelintern laut „Hier! Hier! Hieer!“ Wirklich. FPS-Alpträume habe ich nicht gefürchtet. Ich bin die Nacht und Gotham brauchte mich. Also zog ich mein Batman-Shirt an, schwang mich an meinen PC und startete voll großer Hoffnungen das Spiel.
Nun… Telltale hätte vielleicht mal bei der Comickonkurrenz aufpassen sollen: mit großer Macht kommt große Verantwortung (das hätte man wohl auch David Ayer sagen sollen…). Es ist ernst. Es geht um Batman. Das ist kein Spiel! Telltales Batman ist leider weder düster genug noch beleuchtet das Spiel die Absurdität des Charakters. Eines von beidem wäre jedoch schön gewesen, denn so wirkt alles sehr belanglos. Ein Argument für Serien, Spiele und Bücher ist häufig, dass sie vielschichtigen Charakteren mehr Möglichkeit geben, sich zu entfalten als zwei Stunden Film. Tatsächlich schafft Telltale es jedoch, Batman als Schatten seiner selbst darzustellen. Ja, es mussten viele Charaktere eingeführt werden, aber selbst Val Kilmer hatte mehr Tiefgang. Die nichtssagende Charakterkatastrophe Harvey Dent, der seinem Namen alle Ehre macht und nur eine weitere Beule im (bisher recht) lieblos zusammengebastelten Telltale-Batman-Universum darstellt, versuche ich wohlwollend zu ignorieren.
Ansonsten leidet das Spiel an den üblichen Telltale-Kinderkrankheiten – „Was? Das sollte das bedeuten? Dann hätte ich das doch nie gewählt!“ Die einzige Frage, die sich mir an dieser Stelle noch stellt: ab wann darf man das eigentlich wieder kritisieren oder wie lange soll das noch „halt einfach so bei Telltale“ sein? Ab welchem Alter ist es keine Kinderkrankheit mehr? Telltale Games sind jetzt immerhin zwölf Jahre alt.
Grundsätzlich kann ich solche Fehler ganz gut verschmerzen; ich entwickle mich langsam zum Telltale-Veteran. Wenn ich jedoch eine Entscheidung sehr bewusst treffe, etwa jemanden gerade nicht schlage, weil ich keine Diskussion mit Alfred möchte und dann gerade besagter Lieblingsbutler mir vorwirft, denjenigen krankenhausreif geschlagen zu haben, frage ich mich, welcher Telltalemitarbeiter da zwischendurch seine Aggressionen ausgelebt hat und ob er meine auch noch haben möchte. Ich bin genügsam. Ich bin nachsichtig. Aber wenn ich seit Jahren Spiele angeboten bekomme, die vor allem vom suggerierten Einfluss des Spielers auf die Geschichte leben, dann sollte ich es vielleicht irgendwo zwischen Spiel 1 und Spiel 10 schaffen, meine Spiele so zu programmieren, dass tatsächlich die gewählte Handlung gespeichert wird und nicht irgendeine. Polemisch gesagt: viel mehr Spielmechanik ist da ja auch nicht zu programmieren. Je länger das Spiel andauert, desto mehr schmollt mein innerer Teenager. Ganz ehrlich: mein dreizehnjähriges Ich war mehr Batman als dieser Batman. Dieser Batman ist ein reicher Schönling mit einem geliehenen Kostüm und einer Kampfsportausbildung (Nein, das ist nicht immer bei Batman so!). Er wirkt wie ein Pantherbaby. Ja, irgendwann in der Zukunft mal gefährlich, jetzt gerade jedoch hilflos, tapsig und irgendwie putzig. Kurz: kann ich den mal bitte knuddeln?
Ich will natürlich nicht sagen, dass man mit dem Spiel keinen Spaß haben kann, denn den hatte ich. Immerhin ist das Batman und Telltale und ich bin eine treue Seele. In den ersten fünf Minuten fallen so viele typische Batman-Sprüche, dass ich wieder in ein leichtes, freudiges Hüpfen verfalle. Kritikpunkte gibt es dennoch einige, die sich auch jenseits der FPS-Problematik bewegen. Sind das welche, mit denen man rechnen konnte oder die zu befürchten waren? Ja. Sind es allgemeingültige? Nein, denn auch der Batman der Sechzigerjahre ist sicherlich nicht düster und dennoch Kult. Kritisierbar sind diese Aspekte dennoch.
Ich würde gern mehr zum Spiel sagen, aber was denn? Übliche Comicgrafik? Obligatorische Catwoman, die irgendwie in die Geschichte hineingequetscht wirkt? Der erwartete Politikskandal im Zusammenhang mit Dent? Der beneidenswert aufrichtige Gordon? Die nichtaufgearbeitete Vergangenheit Batmans? Irgendjemand von irgendetwas überrascht?
Sicher, Telltale versprach den Anfang der Geschichte neu zu erzählen, aber bisher gibt es nur unspektakuläre Hinweise auf die Vergangenheit der Wayne-Familie. Noch werden bloß die Köder für den Spieler ausgeworfen. Das schaffen andere Spiele im Prolog. Manche im Trailer. Aber nicht in einem Fünftel des gesamten Spiels. Natürlich werde ich dennoch weiterspielen, allerdings, weil es Batman ist, nicht weil es Telltales Batman ist.
“This isn’t the game we deserved, much less the game we needed.”
(Bin ich trotzdem nach dem Spiel ein paar Stunden mit einem Deckenumhang durch die Wohnung geschlichen? Wer weiß das schon…)