Blast from the Past: Bubsy in Claws Encounters of the Furred Kind

Bubsy in Claws Encounters of the Furred Kind

Ich erinnere mich an viele Titel aus meiner Kindheit, die mir den Weg zum Computerspieleenthusiasten geebnet haben. Als ein Beispiel könnte ich Final Fantasy VII nennen. Es hat mich damals mit vielen Fragen konfrontiert, an die ich zuvor nie zu denken gewagt habe: Sind brutale Gewaltaktionen gegen einzelne für das Wohl des Planeten gerechtfertigt? Besitzt man eine ‘echte’ Identität, wenn das eigene Doppelleben den Ursprung ausradiert hat? Dennoch hat kein Titel mein Spielverhalten so beeinflusst wie Bubsy in Claws Encounters of the Furred Kind. Es folgt ein Dank, der aus Hass entstand.

Als meine Schwester noch ein heranwachsender Teenager und ich ein nerviges Kleinkind waren, schenkten unsere Eltern uns zu einem Weihnachten unsere erste richtige Konsole: Einen Super Nintendo. Mit Freude erinnere ich mich an die Dutzenden Stunden Spielspaß zurück, die mir The Legend of Zelda: A Link to the Past, Super Mario Kart oder auch das alte SimCity mit all ihrem Charme einbrachten. Eigentlich war ich nie enttäuscht von den wenigen Titeln, die ich in meinem Besitz wissen durfte. Eigentlich; wäre da eben nicht Bubsy in Claws Encounters of the Furred Kind — kurz: Bubsy — gewesen. Aber zurück zum Anfang.

Bubsy in Claws Encounters of the Furred Kind

Meine Eltern betrieben eine sehr solide und respektvolle Taschengeldpolitik: Nur zu besonderen Anlässen wie Geburtstag und eben Weihnachten gab es kostenintensive, große Geschenke. Luxusgüter wie neue Computer- oder Konsolenspiele hingegen mussten in aller Regel von dem eigenen Geld bezahlt werden. Dementsprechend lange mussten wir also auch sparen und damit warten, wenn wir mal etwas Neues spielen wollten. Die Grabbeltische mit schmucken Nintendo– oder Sega-Titeln, wie man sie heute für maximal 20 Euro hinterhergeschmissen bekommt, existierten noch nicht. Jedes einzelne Spiel wurde also massiv durchgespielt, da es kaum andere in Griffweite gab. Wir hatten ja nischt, wie die Nachkriegsfamilien generell zu sagen pflegen.

Aber irgendwann packte mich die Lust nach etwas Neuem. Ich fuhr mit meiner Mutter in die nächstgrößere Stadt und wollte dort ein neues Spiel kaufen. Damals war ich zehn Jahre alt und hatte über viele, sogar sehr viele Monate hinweg etwa 130 Mark zusammengespart. Und dann lag es da, in einem mit der fiesen Grinsefresse des titelgebenden Rotluchses bedruckten Karton: Bubsy. Ich ahnte nicht, was für ein langweiliger, eintöniger Jump’n’Run-Plattformer mir da entgegenstrahlte. Eine derbe Sonic-Abkupferung, bloß ohne jede Spur von irgendeinem interessanten, guten Level-Design, spannender Rahmengeschichte oder der Einforderung von Spielefähigkeit. Bubsy war kinderleicht, viel zu leicht. Es forderte nichts von mir ein. Es war einfach nur da, während der Spieleladenbesitzer sich bestimmt ins Fäustchen lachte.

In Bubsy ging es um einen Rotluchs, der den weltgrößten Vorrat an Wollknäulen besaß. Irgendwann aber kamen die feindlichen Hasen-Aliens, die bezeichnenderweise Woolies genannt wurden. Aus unerklärlichen Gründen wollen sie sämtliche Wollknäule des Planetens stehlen und natürlich muss nun Bubsy einschreiten, um seine geliebten Fadenbällchen zu retten. So springt und gleitet die Wildkatze von Level zu Level, sammelt das kurioserweise auch lebensstiftende Pulloverrohmaterial ein und vermöbelt die Außerirdischen sowie ihre Oberbosse, die aber schon nach ein paar Hüpfern zu Boden gingen. Ein haarsträubend mieses Spiel. Dennoch war an Reklamation meinerseits nicht zu denken. Weder dachte ich als junges Bürschchen überhaupt an diese Möglichkeit, noch wollte ich meinen Eltern gegenüber diese Schande eingestehen. Der falsche Stolz trug dazu bei, dass ich Bubsy behielt. Aus der Retrospektive betrachtet muss ich eingestehen, dass das eine Lebensentscheidung war.

Bubsy in Claws Encounters of the Furred Kind

Denn so verbrachte ich trotz aller spieltechnischer Mängel Wochen und Monate damit, Bubsy immer und immer wieder durchzuspielen, um doch wenigstens ein Fünkchen Freude aus dem schlechten ‘Unterhaltungsprodukt’ zu quetschen; auch wenn es mir zu Beginn kaum gelang. Ich entwickelte eine Art Manie, perfektionierte die Abläufe, glitt geschmeidig über die Achterbahnschienen oder auch Wüstenlandschaften hinweg und sammelte Wolle ein, sprang aufgebracht von einem Pöbelhäschenkopf zum nächsten und durchlief so meinen ersten Speedrun-Marathon. Bubsy war als Spiel so grottenschlecht, dass ich mir mein eigenes Spiel daraus machte und eine intrinsische Motivation entwickelte: Hauptsache schnell durchkommen. Mein Ehrgeiz wurde geweckt.

Ehrlich gesagt ist das auch noch heute so. Wenn ich überlege, dass ich für manche Spiele wie FTL: Faster Than Light, Mount & Blade: Warband oder Papers, Please zwischen 100 bis 300 Stunden Lebenszeit investiert habe, so muss ich auf Bubsy zurückblicken. Dieses Spiel war es vermutlich, dass den Grundstein für das akribisch-manische Durcharbeiten und für die dazugehörige Musteranalyse legte. Ich wurde zu einem Perfektionisten. Dafür muss ich Bubsy heute noch dankbar sein, egal wie deprimiert ich als Kind war.


In der Serie Blast from the Past berichten Superlevel-Autorinnen und -Autoren über prägende Spiele und Spielerlebnisse aus der Kindheit und Jugend. Wir freuen uns über einen regen Erinnerungsaustausch in den Kommentaren.