Fickende Blumen: Luxuria Superbia

Luxuria Superbia

Ficken. Wer über Luxuria Superbia schreibt, muss über Sex sprechen — und über Sex lässt sich zwar nur auf Englisch singen, aber auch auf Deutsch ganz passabel schreiben — zumindest, wenn man auf blumige Metaphern verzichtet. Luxuria Superbia ist eine blumige Sex-Metapher, es ist vielleicht der beste Videospielsex, den es je gab, was aber auch kein echtes Lob ist. Denn Luxuria Superbia ist immer noch ziemlich schlechter Sex.

Mass Effect, Dragon Age oder Sims reiben sich hölzern animierte Mannequins aneinander und starren sich mit toten Augen an, während im Hintergrund romantische Musik läuft. Sex, so aufregend wie Zwergspaniel und Tischbein zuzusehen.

In Heavy Rain, Fahrenheit, GTA: San Andreas oder God of War gibt es dagegen interaktive Sexminispiele, bei denen es darauf ankommt, die richtigen Knöpfe zur richtigen Zeit zu drücken. In seiner simpelsten Ausführung genügt es auf den A-Button zu hämmern, um das mächtige Glied des Protagonisten (denn machen wir uns nichts vor, es sind immer Männer, die gesteuert werden) in willige Polygone zu pumpen. Manchmal wird auch ein bisschen gestöhnt. Oh, Kratos!

Luxuria Superbia

Ich liege auf der Couch und spiele Luxuria Superbia auf dem iPad. Ich fliege durch einen Tunnel. An den Wänden sind kleine Blüten verstreut. Fasse ich sie an, erblühen die Wände. Von kühlem Weiß gehen sie über in ein sanftes Rosa und dann in ein tiefes Rot. Musik erklingt. Auf dem Bildschirm erscheinen Anweisungen: Hör nicht auf. Mach weiter. So. Genau so. Ja.

Die Musik wird intensiver. In der linken oberen Bildschirmecke läuft ein Punktezähler nach oben. Je länger ich es es schaffe, den Tunnel voller Farbe zu halten, desto mehr Punkte kommen dazu. Ich streichele mein iPad, die Wände laufen immer schneller mit Farbe voll. Irgendwann berühre ich zu lange oder zu viel oder zu hart. Mein iPad … kommt? Danach werden die Punkte ausgezählt. “Danke, das war magisch.“, sagt das iPad. “Was machst du da?“, sagt meine Freundin.

Sexminispiele sind die traurigste Annäherung ans Ficken, die es je gab. Sie zeigen, dass guter Sex an der Ekstase von Frauen gemessen wird, die aber nur dazu da ist, zu unterstreichen, wie gut Männer Sex praktizieren können. Sex wird zu einem Spiel, das gewonnen oder verloren werden kann. Man kann eine Menge falsch machen beim Sex. Man kann sich oder seinem Partner aus Versehen Schmerz zufügen, oder etwas tun, was den anderen einfach nicht anmacht. Man kann kommen, bevor man es eigentlich vorhatte und manchmal klappt Sex einfach nicht, weil Körper und Köpfe und Synapsen nicht mitspielen wollen. Nichts davon würde ich “Sex verlieren” nennen. Wie verliert man Sex? Wie gewinnt man Sex?


In Luxuria Superbia kann ich Sex gewinnen, indem ich möglichst lange Sex habe. Es ist ein bisschen so, wie sich wohl Neo-Tantra-Sex-Lehrer Videospiele vorstellen.


Möglichst lange ficken ist nicht gleichbedeutend mit gutem Sex.


Was für eine Verschwendung!“, denke ich, wenn der Playstation-Controller in The Last of Us zustimmend vibriert, während Joel mit einer rostigen Stange einem Zombie den Schädel einschlägt. Wie gut Konsolen-Controller mit ihren angerauten Analogsticks, ihren vibrierenden Rumble-Packs sich stattdessen dafür eignen würden Berührungen zu simulieren.


Videospiele und Sex passen nicht zusammen. Wenn Sex ein Videospiel wäre, dann käme Minecraft dem sehr nahe. Formlos, ziellos und sehr beliebt bei Teenagern (Bonus-Gedanke: Let’s Plays). Sex hat kein übergeordnetes Ziel und keine festen Regeln. Die Ziele, Gründe und Regeln sind so unterschiedlich wie die Menschen, die ficken. Sex ist Spiel, aber kein Videospiel im klassischen Sinn. Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen: Sex als Videospiel, mit festen Regeln und Highscores funktioniert nicht für mich, weil Sex zu persönlich und zu intim ist, um in ein solches Format gepresst zu werden.

Luxuria Superbia

Blumen, Knospen und Blüten sind eine der fiesesten mir bekannten Metaphern für eine Vagina. Die Metapher impliziert eine peinliche Überhöhung und Romantisierung eines Geschlechtsteils: Blumen sind sanft und magisch und wunderschön und wohlriechend — so wie Frauen halt! Ich kenne keine Frau, die ihre Vagina als Blüte oder Blume oder etwas anders blumiges bezeichnen würde. Natürlich kann ich mich da irren. (Ich habe jetzt Angst, dass ich mich da irre)


Luxuria Superbia ist ein Gedankenspiel: Was, wenn Videospielsex so wäre, wie wir Sex haben? Was wäre, wenn es nicht darauf ankäme, möglichst schnell zum Ziel zu kommen, sondern der Weg dahin viel interessanter wäre? Aber haben wir so wirklich Sex? Luxuria Superbia will Videospielsex auf eine neue Ebene hieven, es wirft aber eher eine viel wichtigere Frage auf: Warum das alles?

Wenn ich auf der Couch eine iPad-App befriedige, dann fühlt sich das im besten Fall sonderbar an, aber eigentich einfach nur traurig. Sex ist interessant, weil es nicht nur um die eigene Triebbefriedigung geht, sondern um den oder die Partner. Ihre Reaktionen, ihr Aufstöhnen und ihre Blicke, ihre Berührungen, ihr Atmen und ihre Worte. Sex ist spannend, weil andere Menschen spannend sind. Mein iPad ist ziemlich kalt und langweilig, … aber der Akku hält lange.