Das Phantasialand wurde auch nicht an einem Tag erbaut.
Ich war nur einmal im Heide Park Soltau. Dieser fast ein wenig deplatziert wirkende Freizeitparkkoloss mitten in der Lüneburger Heide ist mir vor allem wegen einer Attraktion im Gedächtnis geblieben: Der Bounty-Schiffschaukel.
Nicht, dass ich mich selbst hinein getraut hätte, auch wenn die Bounty sicherlich zu den harmlosesten Attraktionen des Parks gehörte – ich war immer schon ein ziemlicher Schisser, wenn es um unnötigen Nervenkitzel geht. Vielmehr hat sich eine Szene in mein Gehirn gebrannt, die sich ereignete, als die Schiffschaukel ihren höchsten Punkt erreichte und praktisch im rechten Winkel zum Boden stand. Genau in diesem Moment lösten sich die überteuerten Fast-Food-Komponentenreste aus dem Magen eines Fahrgastes und übergossen die vor ihm sitzenden Besucherinnen und Besucher mit einem körperwarmen Überzug aus Spezi, Hackbröckchen und Magensaft. Die Freudenschreie und Ekelbekundungen vermischten sich zu einem monolithischen Klangbrei, dessen Rekreation mir in der Themenparksimulation Planet Coaster zwar nicht ganz gelang, dafür aber anderes umso mehr.
Denn der Fokus des potenten Erben von Titeln wie Rollercoaster Tycoon und Theme Park World liegt ganz klar auf der Entfaltung der eigenen Kreativität. Neben einer Reihe unheimlich liebevoll gestalteter Parkelemente, die neben Fahrgeschäften, Frittenbuden und unzähligen Ausschmückungsgegenständen auch eines der wohl knuffigsten Dino-Maskottchen der Videospielgeschichte umfassen, ist zudem alles hochgradig individuell anpassbar. Im zentralen Sandboxmodus lassen sich so, frei von Geldsorgen oder freizuspielenden Elementen, die größenwahnsinnigsten Projekte hochziehen und durch die Workshop-Integration von Steam sogar noch mit spielergenerierten Inhalten erweitern. Das alles funktioniert wunderbar intuitiv und ohne großen Erklärungsbedarf, was auch für die anderen beiden Spielmodi gilt. In dem Fall ist das jedoch nicht zwingend im gleichen Maße gewünscht.
Denn sowohl der Karriere- als auch der Herausforderungsmodus erfordern keine wirklich ausufernde Denkleistung, wenn man das doch recht schematische Vorgehen einmal verinnerlicht hat. Der wirtschaftliche und organisatorische Unterbau ist deutlich zu rudimentär geraten, um höheren Ansprüchen an eine komplexe Simulation auch nur ansatzweise befriedigen zu können. Personal verwalten, Werbung schalten, ein bisschen auf vorgegeben Pfaden forschen und die Preise regulieren – das war es im Wesentlichen auch schon. Und da nicht immer alles so funktioniert, wie es eigentlich funktionieren sollte, hadert man bisweilen eher mit der Spiellogik als mit den gestellten Aufgaben.
In meinem Fall hatten die Besucherinnen und Besucher meines Piratenparks ganz schön viel Durst, obwohl ich ab einem gewissen Zeitpunkt bereits fünf Getränkebuden mit echt moderaten Preisen vor deren Nasen gepflanzt hatte. Oder der Besucherandrang ließ stetig nach, weil selbst eine ganze Armada an putzwilligen Hausmeistern ihrer Aufgabe nicht wirklich effektiv nachging. Kleinere Unstimmigkeiten, die zwar manchmal ein wenig nerven, aber traditionell zu den Anfangstagen einer neuen Simulation dazugehören und im Laufe der Zeit vermutlich nach und nach verschwinden werden.
Insgesamt wirkt Planet Coaster dennoch nicht unreif, sondern hat ausreichend Haare am Sack, um im Karussell der Großen mitfahren zu dürfen. Der bewusste Verzicht auf eine möglichst realistische Darstellung zugunsten putzig überzeichneter Figuren ist dabei äußerst charmant und unterstreicht den Eindruck, dass hier lieber mit waghalsigen Loopingkonstruktionen als mit dem Rechenschieber gespielt werden soll. Ein Spiel, so herrlich sorglos und unbekümmert wie ein junger Bernhardiner, der einem, wenn er noch etwas wächst und dazulernt, irgendwann einmal mit einem Fässchen Schnaps den eisigen Ernst anderer Simulationen erträglicher machen wird.