Was Eltern nicht für möglich halten.
Ich als Zahnarzthelferin werde oft gefragt: Marcus, gibt es eigentlich noch gute Twin Stick Shooter, abseits des offensichtlichen und über allen Dingen stehenden Geometry Wars? Bisher lautete meine Antwort stets „Nein, geh‘ weg!“, doch in diesem eher verhaltenen Sommermonat läuft zumindest jene zuletzt stark vernachlässigte Spielart wieder richtig heiß. 38 Grad auf der Marcus-Richter-Skala und, Spoiler-Alarm, es wird noch heißer! Denn mit Tachyon Project und Zenzizenzic sind gleich zwei Titel erschienen, die an den strammgezogenen Genreschrauben drehen, ohne dabei das Kerngeschäft aus den Augen zu verlieren.
Tachyon Project
Was klingt, wie eine One-Hit-Wonder-Dance-Group aus den 90ern, ist in Wahrheit der Versuch, klassisches Shoot’em-up-Gameplay in eine packende Hacker-Story zu verhacken verpacken. Mit einem leuchtenden Quake-Logo fliegt man dabei durch die Schaltkreise von Computersystemen und legt diese lahm oder entwendet ihre sensible Daten, indem man in Wellen auf alles ballert, was sich bewegt. Eine beliebte Hacking-Methode, mit der August Diehl bereits im Film 23 die Brennstäbe in Jülich hochgefahren hat. Die Geschichte, die in gezeichneten Standbildern dazu erzählt wird, ist dabei so absurd und holprig formuliert, dass man die Stärken des Spiels wohl besser an anderer Stelle sucht.
Etwa beim spielerischen Unterbau, der mehr als solide geraten ist. Die Steuerung ist punktgenau, das Gegnerdesign abwechslungsreich und ein Upgradesystem erlaubt es, das eigene Spielerleben zu personalisieren. Dass man nicht bei der erstbesten Kollision scheitert, reduziert zudem die Frustigkeit, die andere Genrevertreter umweht, wobei auch Tachyon Project im späteren Spielverlauf nicht einer gewissen Gnadenlosigkeit entbehrt.
So richtig Hardcore hingegen sind manche Soundeffekte der Waffen, die ich entnervt abschalten musste, weil ich sie einfach nicht mehr ertragen habe. Auch die Musik passt sich zwar dynamisch an die Geschehnisse auf dem Bildschirm an, klingt dabei aber wie DJ Fruchtzwergs erste Gehversuche mit dem Magix Music Maker. Ich spiele Geometry Wars jedoch auch immer zu Katy Perrys Firework, von daher darf mein persönliches Empfinden hier gerne auch als solches abgetan werden.
Bevor nun aber der Eindruck entsteht, Tachyon Project sei wohl doch ziemlich kacke: Ist es nicht. Es spielt sich ganz hervorragend, nur fehlt einiges an Feinschliff. An den drei Challenge-Modi habe ich auf jeden Fall noch länger Freude, jetzt, wo ich dazu immer Royals von Lorde im Hintergrund laufen lasse.
Tachyon Project gibt es für Windows und ja, tatsächlich auch für die Xbox One.
Zenzizenzic
Und noch ein neuer Herausforderer betritt den Ring. Es ist Zenzizenzic, das sich bereits optisch ganz weit aus dem Fenster lehnt und mich zurückwirft in eine Zeit, in der ich sekundenlang durch das Kaleidoskop blickte, welches mir meine Oma schenkte, bevor ich dann doch lieber weiter Saber Rider auf dem Kabelkanal schaute. Bei Zenzizenzic gucke ich aber gerne länger hin, denn hier ist deutlich weniger Zen drin, als es der Name vermuten lässt. Hier wird vielmehr die Tradition des Danmaku gepflegt, oder, auf gut Deutsch gesagt: die des Bullet Hell.
Zenzizenzic, das Schriftbildäquivalent zum Zungenbrecher, ist hektischer und unübersichtlicher als Tachyon Project, und spricht eher ein fortgeschrittenes Publikum an. Es ist auf der einen Seite minimalistisch und abstrakt, auf der anderen Seite, und das ist jetzt wirklich kein Scherz, ist es ein Open World Roguelike. Ernsthaft! Neben einem klassischen Arcade-Modus gibt es einen sogenannten Macro Modus, in dem man durch eine offene Levelstruktur düst und Upgrades sammelt, bis man dahingerafft wird und von Neuem beginnen muss. Das ganze kann sich ziemlich in die Länge ziehen und widerspricht damit ein wenig dem Münzspielautomaten-Rhythmus, den man sonst gewöhnt ist.
Ob man das nun unbedingt gebraucht hätte oder nicht, das kann ich natürlich nicht abschließend für jeden beantworten, aber der Modus ist jetzt halt da und will, dass man ihm zumindest eine faire Chance gibt. Ich bevorzuge eher die klassische Hektik, die, mit all ihrem Technogeballer und den verschwimmenden Farben und Formen, eine günstige Alternative zum Pilzeschmeißen bildet. Oder eine teure zu dem Kaleidoskop, welches mir meine Oma geschenkt hat.
Zenzizenzic gibt es für Windows, Mac und Linux. Und für Xbox One auch? Nein, geh’ weg!