The Lost Levels: 02/2014
Werte Zielgruppe, die ihr immer noch ein Rauschen in den Ohren vernehmt, hervorgerufen durch die dreist dröhnenden Böller zu Ehren des neuen Jahres: Ende Dezember trafen sich die Superlevel-AutorInnen zur Silvesterfeierei in Hamburg. Eine famose Feier, deren Hauptbestandteile prächtige Gesichtsfrisuren, schwer bewaffnete Samurais, gepflegte Konversationen über Spielejournalismus, wunderbare Musik sowie natürlich Pudding und andere Schlemmereien waren. Man resümierte die Erfolge des vergangenen Jahres und lächelte verstrahlt in der Gegend herum. Nur eine Kleinigkeit fehlte: Ein Königreich für eine Filmkamera, die solch wundersame Begegnungen hätte auf Band festhalten können. Nun denn, genug der Bescheidenheit, denn leider konnten wir auch dieses Mal nicht allen Spieleperlen gerecht werden — daher heißt es nun erneut und damit zum ersten Mal im neuen Jahr: Willkommen bei der JanuarFebruar-Ausgabe von The Lost Levels.
Serena (PC/Mac)
Markus Der Ort: Eine verfallene Hütte im Nirgendwo. Ihr letzter Bewohner: Ein verzweifelter Mann mit Erinnerungsproblemen, der wartet. Auf Serena. In diesem kurzen Point’n’Click-Adventure wandert der Spieler durch die offenbar seit langer Zeit verfallene Behausung und versucht nach und nach, Erinnerungsfetzen zusammenzusetzen. Das Besondere: Wenn die Erinnerungen zurückkommen, verändern sich auch Details in der Umgebung, die klar werden lassen, wer Serena ist und welche Bedeutung sie hat. Die fantastisch geschriebenen Dialoge unterstreichen dabei eine Atmosphäre zwischen Tragödie und Edgar Allen Poe’schem Horror. Unbedingt durchspielen!
Blek (iPad)
Dennis Auf dem Touchscreen müssen dicke, schwarze Linien gezeichnet werden, um bunte Kreise einzusammeln. Der Clou: Die Linien erwachen in gewisser Weise zum Leben und wiederholen die Bewegung des Fingers, der sie erschaffen hat. Ein Halbkreis schlängelt sich über den Bildschirm, eine Spirale dreht sich konstant um sich selbst, bis sie langsam vom Spielfeld rutscht. Die Zeichnungen so zu programmieren, dass sie an Hindernissen vorbeikommen, zeigt einen unheimlich kreativen und äußerst stilvollen neuen Ansatz an Puzzlespiele. Blek ist das perfekte Beispiel für ein gelungenes iPad-Spiel, es verleiht Technik einen Zauber, den man zuletzt in den irrsinnig glitzernden Augen von Steve Jobs gesehen hat.
Skulls of the Shogun (iOS)
Daniel Ich kann Zombies in Videospielen auch nicht mehr sehen. Samurai-Zombies dagegen haben ihren Charme noch nicht verloren. Ebenso wenig, wie Rundenstrategiespiele auf dem iPad. Deswegen ist die neu aufgelegte “Bone-A-Fide“-Edition des Xbox 360-Originals von Skulls of the Shogun ein gefundenes Fressen für mich. Gespeist wird auch im hübsch animierten Japan-Szenario. Die Schädel der besiegten Gegner dienen als Energiespritze und sollten möglichst flink vertilgt werden, um so in den kurzweiligen und taktischen Kämpfen den entscheidenden Vorteil zu gewinnen. Mahlzeit!
DataJack (PC)
Dennis Stellt euch vor: Ein Cyberpunk-Spiel mit einer non-linearen Geschichte, komplexen Rollenspielelementen, Stealth, ordentlich viel Action und das aus Iso-Sicht. Ein Indie-Deus-Ex also. Genau das möchte DataJack sein und das ist es auch irgendwo — man muss nur ignorieren, das es aussieht und sich auch ähnlich spielt wie ein Diskettenspiel vom Grabbeltisch im Keller des inzwischen längst geschlossenen Megakaufhauses in der ausgestorbenen Innenstadt.
Ring Runner: Flight of the Sages (PC)
Monoxyd “Ich bin mir sicher, wenn du Twin-Stick-Shooter magst, wirst du von Ring Runner nicht enttäuscht sein“, versprach mir der PR-Mann. Ich – immer noch begeisterter Stardust-Spieler – habe also sofort Ring Runner installiert, wurde aber herb enttäuscht. Das Spiel kombiniert nämlich die Nachteile von Twin-Stick-Shootern und semi-realistischer Asteroidssteuerung: Die Level sind klein, unübersichtlich und voller Hindernisse. Dafür ist das Raumschiff schwer zu steuern, physikalisch korrekt träge und die Waffen eher unspektakulär. Ich habe aus gutem Willen noch zwei Stunden Spielzeit investiert, aber irgendwie… Nein.
Front Wars (iOS)
Manu Der Spielekatalog des Nintendo DS ist sicherlich einer der vieleitigsten und reichhaltig mit exklusiven Titeln bestückt. Einer meiner Lieblingstitel für Nintendos Handheld war und ist “Advance Wars“. Der japanische Rundenstrategie-Titel von Intelligent Systems verband taktische Tiefe mit einer leichten, unbeschwerten Bedienung, Humor und inhaltlichen Lockerheit.
Front Wars für iOS von Homemade Games macht keinen Hehl aus seinem großen Vorbild. Spielprinzip, Steuerung und sogar der Grafikstil wurden adaptiert und in ein Zweiter Weltkriegs-Szenario transportiert. Leider. Die Wahl des Settings passt leider überhaupt nicht zum Grafikstil (wer hielt es für eine gute Idee, Nazi-Soldaten süß und knuffig aussehen zu lassen?), aber das unerschütterlich gute Spieldesign der Vorlage rettet auch diesen “Klon” über den AppStore-Durchschnitt. In Spielereview-Deutsch würde man das wohl “eine grunsolide Umsetzung” nennen. Das Spiel bietet zwar eine umfangreiche Kampagne mit vielen Karten und Missionen, einen Multiplayermodus, nette Grafik, Animationen und Sound – aber schafft es in keinem Punkt, sich in irgendeiner Form vom Vorbild zu emanzipieren. Noch dazu scheitert die Kampagne leider aufgrund der wirklich doof agieren KI und stellt so gut wie keine Herausforderung dar. Im Multiplayer-Modus funktioniert das Spiel gut, auch wenn Advance Wars durch die Spezialfähigkeiten der Kommandeure mehr Tiefe aufweisen konnte. Solange Nintendo sich jedoch dem iOS-Markt verwehrt, ein durchaus brauchbarer Ersatz.
Die hier aufgeführten Spiele sollten ursprünglich in einzelnen Artikeln besprochen werden, doch leider kam es aus Zeitgründen nicht dazu. In der monatlichen Serie The Lost Levels präsentieren wir diesen ‘Überschuss’ in Kurzform, damit die geleistete Vorarbeit nicht umsonst war. Außerdem wäre es schade, euch die geplanten Themen gänzlich vorzuenthalten.