The Lost Levels: 04/2016

The Lost Levels

Guten Tag, werte Leserschaft. Dem Stammleser dürfte aufgefallen sein, dass die Quantität der Artikel auf Superlevel in den letzten Wochen etwas abnahm. Das liegt nicht etwa an Lustmangel unsererseits. Nein, wir müssen inzwischen einfach mehr mit der Zeit haushalten, die uns für dieses Projekt zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass Markus Grundmann uns verlassen hat, um bei GIGA Mammuts und Plünderer jagen zu können. Es gibt aber auch Zuwachs zu vermelden: Als neuestes Bandenmitglied begrüßen wir recht herzlich Wibke.

Und sonst so? Wir entdeckten unsere Liebe für Audioreviews, Nina trieb sich in einem 3D-Sexchat herum, Sonja berichtete vom Plattenteller, Daniel beschäftigte sich ausführlich mit Patreon, Florian schlägt sich gut, Marcus ist unfertig mit den Nerven und ich bin DOOMIAN. Viel Spaß mit der April-Ausgabe von Lost Levels, dem Schnelldurchlauf liegengebliebener To-Dos des Vormonats.


Momodora: Reverie Under the Moonlight (Windows)

Momodora

Nina KielMit ihrem nunmehr vierten Teil kann die Momodora-Reihe den wohlverdienten Ruf, das “Dark Souls” des Jump’n’run-Genres zu sein, weiter festigen. Neben dem abermals hohen Schwierigkeitsgrad, nimmt diesmal auch die Atmosphäre subtil Bezug auf From Softwares Rollenspiele, und so präsentiert sich Reverie Under the Moonlight weit finsterer als sein Vorgänger. Denn während der mit grellen Farben und rhythmischer Musik einen fröhlichen Kontrast zum übrigen Spielgeschehen schuf, bewegt man sich nun überwiegend durch dunkle, düstere Gefilde, die mit einem passenden Soundtrack unterlegt werden.

Als Gesamtwerk wirkt Momodora 4 so viel stimmiger und, dank der enorm verbesserten Qualität der Grafiken, ausgereifter. Auch die Spielmechanik wurde überarbeitet und erscheint ein wenig komplexer, die zahlreichen Bosskämpfe allerdings lassen die Notwendigkeit taktischen Geschicks weiterhin allzu oft vermissen und belohnen vor allem jene mit den agilsten Zeigefingern – denn oft genügt das schnelle Drücken einer einzigen Taste, um ein Duell für sich zu entscheiden.

Ungeachtet dessen kann man die Aussage des Entwicklers, Reverie Under the Moonlight sei der bislang ausgefeilteste Teil der Serie, unumwunden unterstützen. Entscheidend ist dann nur die Frage, ob man lieber von treibenden Rhythmen durch fallengespickte Level (und in den sicheren Tod) getragen wird oder die bedrohliche Stille vorzieht. Es ist schön, dass Momodora beide Vorlieben bedient und damit weiterhin viel Abwechslung bietet.


Dreii (Windows, Mac, iOS)

Dreii

Fabu Als Dreii im Februar bei Steam aufschlug, freut mich das sehr, da ich das Mehrspieler-Puzzle bereits als Drei vom iPhone kannte und schätzte. (An dieser Stelle würde ich liebend gerne erzählen, dass der Entwickler uns drei Reviewcodes zukommen ließ, doch es waren “nur” zweii. Somit hätte ich mir diese halbgare Anekdote auch sparen können. Nun ja.) In Dreii ist es die Aufgabe, als surrealer Baukran Türme aus geometrischen Formen zu stapeln, ohne dass die Gesetze der Physik einen Strich durch die Rechnung machen. Erschwerend kommt hinzu, dass man — sofern Mitspieler_innen online anzutreffen sind — sich mit Hilfe nur weniger Gesten gemeinsam ans Werk machen muss, um einen Level erfolgreich abzuschließen.

Dreii sieht wunderschön aus und die insgesamt 48 Levels bieten trotz des reduzierten Designs reichlich Abwechslung. Nur muss ich gestehen, dass mich die Mehrspieler-Komponente mehr nervt als zu begeistern weiß. Vielleicht hatte ich bei der Auslosung meiner Mitspieler auch nur verdammt viel Pech, aber im Grunde fluchte ich ständig den Monitor an, weil rasch das Gefühl aufkam, ich hätte es mit Menschen zu tun, die noch schlechter in Puzzles sind als ich. Und das soll schon etwas heißen. Hm, ja, womöglich gehört das auch einfach dazu. Schließlich geht es um Kommunikation. Nur schade, dass ich bei Spielen das Selbstgespräch vorziehe.


Soul Axiom (Windows, Mac)

soulaxiom

Daniel Ziegener Wie gehen wir mit Erinnerungen um, in einer Zeit, in der nahezu alles digitalisiert werden kann? Ist so etwas wie ein Recht auf Vergessen überhaupt möglich, geschweige denn wünschenswert? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt von Soul Axiom, der thematischen Fortsetzung von Master Reboot. Und wieder werden diese Fragen in kurzen, lose zusammenhängenden Szenen erkundet, die alle Teil eines digitalen Gedächtnisspeichers sind. Mal ist das eine klischeehafte Urwaldexpedition, ein fliegendes Segelschiff oder eine surreale Insellandschaft.

Jede Szene verwischt Grenzen zwischen Erinnerungen und Träumen. Soul Axioms oftmals unpolierte, neonfarbene Cyberpunk-Ästhetik unterstreicht dabei mit völlig deplatziert wirkenden Laserbarrieren und Neonobjekten immer wieder selbst die Künstlichkeit der Umgebungen. Master Reboots noch dominanter Horror-Anteil wurde in Soul Axiom zugunsten umfangreicherer Rätsel zurückgefahren. Meist handelt es sich dabei mal mehr, mal weniger einfallsreich in die Umgebung integrierte Schiebepuzzles. Deren Design erreicht aber nie das Niveau von Spielen wie The Thalos Principle oder The Witness und stellt öfter ein Hindernis statt einer Herausforderung dar. Wer darüber hinwegsehen kann, findet in Soul Axiom eine thematisch dichte Collage voller interessanter Denkansätze.


This War of Mine: The Little Ones (PS4, XBoxOne)

This War of Mine: The Little Ones

Marcus Dittmar Viel bekomme ich nicht mit, von diesem Krieg, direkt vor meiner eigenen Haustür. Ich sehe nur, was er mit den Menschen macht. Was er mit mir macht. Ich gehe nachts auf Streifsuche nach allem, was irgendwie verwertbar scheint. Nahrung, Baumaterialien und auch meist zerfleddertes Spielzeug für meinen Enkel Ivano. Seit seine Eltern gestorben sind, liegt es an mir, ihn vor den Grauen des Krieges zu schützen. Ich halte ihn wie unter einer Glocke, baue ihm eine Schaukel, sammle zunehmend nur Dinge für ihn ein, statt an all die anderen Menschen zu denken, die mit mir zusammen ums Überleben kämpfen. Eine junge Frau stirbt vor meinen Augen, weil ich statt Verbandsmaterial einen Teddybären mitgebracht habe. Ivano lässt den Bären auf dem Boden liegen und verkriecht sich in dem einzigen Bett, das ich uns notdürftig zusammengezimmert habe. Es ist der Moment, in dem ich begreife, dass die Glocke längst zerbrochen ist.

Der Konsolenableger This War of Mine: The Little Ones schließt die Lücke zur PC-Version, indem sich nun auch Kinder unter die Charaktere mischen, die unter den Auswirkungen eines Krieges leiden, der im Spiel noch immer so fern und doch so unmittelbar wirkt. Es lehnen sich rationale Entscheidungen gegen emotionale auf und ringen um Vernunft oder Verderben, doch die Vernunft zu wählen fällt umso schwerer, wenn der Beschützerinstinkt für ein Kind so tiefgreifend angesprochen wird.

Ich bin nicht stolz darauf, was ich getan habe. Aber ich habe getan, was ich tun musste. Für Ivano. Sein Seelenfrieden für meinen. Und der Krieg lebt in mir weiter.


Sheltered (Windows, Mac)

Sheltered

Sonja Wild Hier mal eben die Luftfilteranlage auf Vordermann gebracht, dort die Dusche repariert, dazwischen schnell ein Bett gezimmert: Spieltochter Lisa sieht aus, als hätte sie das Alphabet erst bis zur Hälfte gelernt, aber an ihr ist ohne Zweifel eine Handwerkerin verloren gegangen. Ihr Bruder Joe macht sich ebenfalls nützlich und wischt in der Zwischenzeit mal schön den Bunker durch. Dass dieser Bunker so gut in Schuss ist, hat fast nur mit Kinderarbeit zu tun: Die Eltern treiben sich schließlich den ganzen Tag „auf Expedition“ herum. Hoffentlich bringen sie diesmal wenigstens etwas Essbares mit, sonst wird diese glückliche Familie in Kürze die vierte sein, die ich aufgrund absoluter Aussichtslosigkeit opfern muss, um nochmal ganz von vorne anzufangen.

Sheltered ist verdammt anstrengend. Der Bunker, in dem sich das postapokalyptische Familienleben vorwiegend abspielt, ist äußerst wartungsintensiv und die Bedürfnisse seiner Bewohner zu stillen erfordert ständiges Multitasking. Da geht mir vor lauter Stress der persönliche Bezug zu meiner Familie ein bisschen verloren – das ist aber vielleicht auch ganz gut, sonst kämen schnell Skrupel auf, wenn ich immer wieder Grundschulkinder zu körperlicher Schwerstarbeit nötige.

Die Perspektive der virtuellen Ameisenfarm hat Sheltered nicht erfunden, und (vorzugsweise postapokalyptische) Überlebenskämpfe bekommt man inzwischen auch an jeder Ecke. Trotzdem gelingt es dem Spiel, sich sowohl vom traurigen Realismus von This War of Mine als auch von der Albernheit eines Fallout Shelter abzugrenzen. Es ist ein grimmiges, knüppelhartes Spiel, das mich in Arbeit erstickt und bei dem ich schnell an die Grenzen meiner Management-Skills gelange – sobald ich nachlässig werde, droht das Ende. Das macht Sheltered für mich zu einer Art umgekehrtem Stardew Valley, das ich nur spielen kann, wenn mein Entspannungsniveau gerade sehr hoch ist. Dann aber entfaltet es sein fesselndes Potenzial mit voller Wucht.


Ben and Ed (Windows)

benanded

Kevin Nur wenige Sendungen verdeutlichen den Spruch “Es gibt keine Würde im Fernsehen” so perfekt wie WipeOut, eine aus Amerika stammende Spielshow, in der sich die Kandidaten durch diverse Hindernisstrecken quälen müssen. Ben and Ed scheint sein Spiel nun auf dieser Sendung zu basieren und schickt in einer fiktionalen Serie namens Rundead den freundlichen Untoten Ed durch Kurse voll mit Kreissägen, Lasern und anderen tödlichen Gerätschaften, mit dem Ziel seinen besten Freund Ben aus den Fängen des Sendeleiters zu retten. Als Zombie stören Ed dabei Verluste seiner Gliedmassen nur gering, soweit sogar, dass er auf Knopfdruck seinen Kopf vom Körper reißen und mit diesem durch die Strecke rollen kann.

Was sich sehr interessant anhört, scheiterte für mich leider aber schnell an der Umsetzung. Ständige Ruckler erschweren grundsätzlich meine Freude an einem Spiel, in Kombination mit einer trägen Steuerung und fragwürdigen Hitboxen schießt die Stimmung allerdings noch schneller in den Keller. Auch sonst scheint sich das Spiel bezüglich der Fairness zu stark an WipeOut zu orientieren. Gewisse Hindernisse sind so in der Dunkelheit gar nicht erkennbar, bevor sie einem ins Gesicht springen und deren Abstände sind aufgrund fehlender Schatten oftmals schwierig abzuschätzen. Wenn dann auch noch das Potential der Zerstückelungsmechanik kaum genutzt wird und ich sie schlussendlich fast nur noch benötigte, um als Kopf gemütlich unter allen Hindernissen durchzurollen, ist meine Motivation endgültig auf dem Nullpunkt. Ben and Ed hat Potential, bleibt mit dem Kopf allerdings ständig an seinen Ecken und Kanten hängen und kommt so nie wirklich im Ziel an.


Die hier aufgeführten Spiele sollten ursprünglich in einzelnen Artikeln besprochen werden, doch leider kam es aus Zeitgründen nicht dazu. In der monatlichen Serie The Lost Levels präsentieren wir diesen ‚Überschuss‘ in Kurzform, damit die geleistete Vorarbeit nicht umsonst war. Außerdem wäre es schade, euch die geplanten Themen gänzlich vorzuenthalten.