I want to believe.
Thimbleweed Park:
Benutze Anspielung mit Überschrift
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I want to believe.
Als Maniac Mansion 1987 erschien und kurz darauf als Raubkopie im Diskettenlaufwerk meines besten Freundes landete, geriet meine dreizehnjährige Welt aus den Fugen. Ich war zu dem Zeitpunkt zwar schon einige fantastische Spiele gewohnt, doch was uns da aus dem kleinen Fernseher anstrahlte, brannte sich als prägendes Erlebnis in mein Videospielgedächtnis ein. Nostalgische Verklärung? Nein. Mit Maniac Mansion feierte Lucasfilm Games endgültig seinen Durchbruch und Ron Gilbert galt fortan als Vater der Mutter der grafischen Adventure-Komödie. Als Gilbert dann 2014 mit Thimbleweed Park einen geistigen Nachfolger ankündigte, fanden sich bei Kickstarter zahlreiche Unterstützer_innen, die die Umsetzung finanziell ermöglichten. 2017, 30 Jahre nach Maniac Mansion, kann man nun also an den Ort des Geschehens zurückkehren. Quasi. Allerdings ist … Moment mal, es riecht hier nach … Benzin!?
1987. Im heruntergekommenen Örtchen Thimbleweed Park findet ein mysteriöser Mord statt. Die beiden FBI-Agenten Angela Ray und Antonio Reyes werden herbeigerufen, um Licht ins Dunkel und somit den Täter oder die Täterin hinter Gitter zu bringen. Im Zuge der Ermittlungen offenbart sich ein Geflecht aus Intrigen und persönlichen Schicksalen, die es aufzudecken und zu entwirren gilt. Ich schlüpfe in die Rollen besagter Agenten, erkunde Lokalitäten, führe Gespräche und fülle die Inventare des Duos.
Wie bereits beim Urgestein Maniac Mansion steht auch hier wieder eine Sammlung von Verben zur Verfügung, mit deren Hilfe sich Gegenstände betrachten, sammeln, benutzen und kombinieren lassen. Womit ich auch schon beim ersten Kritikpunkt wäre, denn, ja, es versprüht anfangs einen gewissen Retrocharme, weiß aber etwaige Vorteile gegenüber eines auf Icons basierenden Systems nicht auszuspielen. Während sich nämlich Bilder rasch ohne Nachdenken erschließen, müssen Verben immer wieder aktiv gelesen werden, was in meinem Fall stets für Brüche im Spielfluss sorgt.
Auf visueller Ebene orientiert sich Thimbleweed Park an seinen Ursprüngen, ohne altbacken zu wirken. Grafiker Gary Winnick gelingt es, zahlreiche Pixel nach wenigen Pixeln aussehen zu lassen, sodass ich als Spieler das Gefühl habe, mich wirklich in einem Titel aus vergangenen Tagen zu befinden. Generell legten die Entwickler merklich Wert auf Nostalgie, was je nach Auffassung von fantastisch bis nervig empfunden werden kann. Einerseits freue ich mich, alte Bekannte in Thimbleweek Park wiederzutreffen, andererseits zündet das selbstreferentielle Feuerwerk irgendwann nicht mehr bei mir.
Ähnliches gilt für die Texte. Sie sind gut geschrieben, wirken authentisch und entsprangen spürbar der spitzen Feder von Gilbert. Für meinen Geschmack hätte man gut und gerne auf ein paar Schenkelklopfer und Referenzen verzichten können, aber spätestens die überzeugende Arbeit der Sprecherinnen und Sprecher wirkt wie Balsam für den Oberschenkel.
Die ersten Stunden in Thimbleweek Park fühle ich mich bis auf ein paar entschuldbare Mankos sehr wohl. Dann werden via spielbarer Rückblenden weitere Charaktere eingeführt, deren Handlung ich nun ebenfalls zu verantworten habe: Die junge Spieleprogrammiererin Delores Edmund, ihr toter und geistgewordener Vater Franklin und der soziopathische Clown Ransome. Was in der Einführung noch wunderbar funktioniert, zerfasert im weiteren Spielverlauf dann mehr und mehr. Denn obwohl die Charaktere autark handeln, setzt das Spiel es voraus, dass sie füreinander agieren, um Puzzles lösen zu können. Wenn ich also intentionslos mit Person A an Ort X etwas machen muss, damit Person B an Ort Y weiterkommt, ist das nur schwer nachzuvollziehen und wirft mich komplett aus der Spielwelt. An dieser Stelle verkommen Protagonisten zu seelenlosen, klickbaren Marionetten.
Unter dieser Prämisse wirken dann auch viele der Rätsel unlogisch und hölzern, weswegen ich das letzte Drittel von Thimbleweed Park eher widerwillig spiele. Also beiße ich mich durch und werde schließlich mit einem versöhnlichen Ende konfrontiert, das mich vor eine schwierige Entscheidung stellt: Entschuldigt eine gute Erklärung zuvor erlebte Frustration?
Thimbleweed Park feiert sich und seine Wurzeln. Benutze Pauke mit Trompete. Es ist eine gute Party, sofern man denn Ü30-Parties mag. Ron Gilbert und Gary Winnick erweisen sich als sympathische Gastgeber. So bricht es mir tatsächlich ein wenig das Herz, einer dieser Typen zu sein, die den Gastgebern nicht nur wohlwollend auf die Schultern klopfen, sondern ihnen offenbart, lediglich aus Respekt und Pflichtgefühl bis zum letzten Paukenschlag geblieben zu sein. Andernfalls hätte ich die Party nämlich vorzeitig verlassen.