Us and the Game Industry: Das Sparmenü unter den Indie-Dokus

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“It’s how real art is made.” (Austin Wintory)

Der Franzose Jean Cocteau fühlte sich in gleich mehreren Kunstformen zu Hause. Er schrieb Lyrik und Prosa, führte bei mehreren Filmen Regie und war zudem ein äußerst begabter Maler. Nur über seine Kunst reden zu müssen behagte ihm nicht. Ein Künstler könne genauso wenig über seine Kunst sprechen wie eine Pflanze über Gartenbau, eine seiner bemerkenswerten Aussagen zu diesem Thema, bildet sozusagen die Antithese zum frisch auf Steam erschienenen Dokumentarfilm Us and the Game Industry, in dem Indie-Entwickler anderthalb Stunden nahezu ausschließlich über die eigene Schaffenskraft parlieren. Doch auch wenn in den ersten Einstellungen des Films bereits Johnathan Blow und Phil Fish kurz durchs Bild huschen, erzählt der Streifen von Regisseurin Stephanie Beth eine ganz andere Geschichte als es Indie Game: The Movie vor zwei Jahren tat. Eine schwerelose Geschichte über lächelnde Menschen, die es längst geschafft haben.

Über einen Zeitraum von drei Jahren begleitete Beth hierzu eine illustre Runde von unabhängigen Entwicklerinnen und Entwicklern, die ihr Einblicke in den kreativen Prozess des Spielemachens verschaffen sollten. Neben dem Blick auf Einzelpersonen, wie Jason Rohrer (The Castle Doctrine), Alexander Bruce (Antichamber) oder Douglas Wilson (J.S. JOUST), geht es aber vor allem um die Entstehung des Spieles Journey von thatgamecompany.

“This movie is going to be distinguished by its aim to record those who have already crossed the hurdles.” (Stephanie Beth)

Deren Kopf Jenova Chen berichtet in seiner sanftmütigen Art von dem, was ihn antreibt, was er mit seinen Spielen erreichen will. Und man sieht ihn in Gesprächen mit seinen Kollegen oder wie er aus dem Auto steigt, nachdem er sich im McDrive ein Sparmenü gekauft hat. Man schaut auch Game Designerin Robin Hunicke dabei über die Schulter, wie sie ein Bild malt und ihre Fische füttert. Oder wie Komponist Austin Wintory ein Cello einspielen lässt. Alles ist dabei so banal und spannend wie ein Tag der offenen Tür in der REWE-Prospektredaktion, weil man den Blick auf nichtssagende Gittermodelle schon von zahlreichen Making-of-DVDs her kennt und die Aussage, man wolle den Spielenden möglichst viele Freiheiten lassen, ähnlich originell klingt wie der Name des Entwicklerstudios.

Us and the Games Industry fehlt es an Persönlichkeit und Intimität und am Kampf gegen Unwägbarkeiten. Die vorkommenden Personen wirken alle relaxt und zufrieden, weil sie ihren Platz bereits gefunden haben und das ganze Drumherum, mit dem Phil Fish und Team Meat in Indie Game: The Movie so sehr haderten, mit dem eigentlich jeder angehende Game Designer hadern muss, wird völlig ausgeblendet. Auch auf die im Titel erwähnte Spieleindustrie wird praktisch kein Bezug genommen, sie erhält vielmehr eine Art Rekrutierungsvideo, das einen watteweichen Künstlerhimmel zeichnet, in dem man sich frei entfalten kann. So wirkt der Film fast schon losgelöst von dem, was er eigentlich portraitieren möchte. Und auch wenn mir das alles nicht ausreicht, um Jean Cocteaus eingangs erwähnter Haltung uneingeschränkt zuzustimmen, habe ich nun zumindest verstanden, was er gemeint haben könnte.