Ein Stück A MAZE für Abwesende: Die besten Talks zum Nachhören

Die A MAZE ./ Berlin 2017 liegt bereits einige Tage hinter uns und die Anwesenden dürften nach drei Tagen Konferenz, Workshops und Party so langsam wieder einen normalen Schlafrhythmus übernommen haben. Doch die schönen (und unter Alkoholeinfluss mitunter etwas verschwommenen) Erinnerungen bringen all denen wenig, die nicht zu Europas wichtigstem Indie-Event anreisen konnten. Einen kleinen Trost gibt es aber doch, denn zumindest die Vorträge wurden komplett aufgezeichnet und kostenlos online gestellt. Und wer jetzt ratlos vor der Vielzahl an Themen steht, kann ja einfach mit unseren persönlichen Highlights anfangen.


Shawn Alexander Allen: Put Your Glock Away, I’ve Got a Stronger Weapon for You

Was würden Malcolm X und Martin Luther King von Undertale halten?” Mit dieser äußerst hypothetischen Frage weckte Shawn Alexander Allen genug Neugier, um bereits um 10 Uhr in der Früh den Vortragsraum restlos zu füllen. Sein Talk begann nicht mit Videospielen, sondern einer Geschichtsstunde über den Schwarzen Widerstand in den USA. Davon ausgehend spinnt Allen interessante Gedanken zur Rolle von Gewalt in Videospielen, die über die Frage hinausgehen, ob sie pauschal gut oder schlecht ist.

Darin findet er auch kritische Töne zum konsequenten Pazifismus in Undertale, der zum “Happy End” führt – dessen Luxus können sich gewaltsam unterdrückte Gruppen nämlich gar nicht erlauben. Wer im Anschluss noch mehr Input zum Thema braucht, kann einmal in die Aufzeichnungen aus dem letzten Jahr reinhören. Damals sprachen unter anderem Winnie Song über “The Necessity of Violence” und Dropsy-Entwickler Jay Tholen über das Fehlen eben dieser.


Jenny Jiao Hsia: Prototyping Personal Experience

Jenny Jiao Hsia spricht in ihrem Vortrag über ihren ungewöhnlichen Prozess der Prototypen-Entwicklung. Dieser geht bei ihr nicht von Gameplay oder Technik, sondern ihrem Illustrationsstil aus. Das ermöglicht ihr einerseits die schnelle Entwicklung von Ideen, schränkt ihren kreativen Prozess aber auf andere Arten ein. Die Ergebnisse sind kleine, persönliche Spiele wie chat with me oder Wobble Yoga, die mit einer anderen Herangehensweise wohl so nicht entstanden wären.


Masterclass: Mel Croucher im Gespräch mit Emilie Reed

Mel Croucher ist eine britische Spielentwickler-Legende. Als einer der Gründer von Automata UK brachte der Architekt ab 1977 Dada und Computerspiel zusammen, schuf mit dem Piman ein Maskottchen für die Ewigkeit, um es dann auf dem Höhepunkt seiner Bekanntheit sterben zu lassen, und schickte Menschen über mehrere Jahre auf die Suche nach einer goldenen Sonnenuhr über die ganze Insel.

Crouchers erfolgreiche Jahre nahmen allerdings schon 1985 ein abruptes Ende, als das Meisterwerk Deus Ex Machina erschien, denn der interaktive Film, für den unter anderem Ian Dury seine Stimme beisteuerte, wurde zum kommerziellen Reinfall. Weshalb das auch die Schuld von Software-Piraten war, wieso er anschließend 25 Jahre nichts mehr mit Computerspielen zu tun haben wollte, warum kein Mensch AAA braucht und Programmierer überbewertet sind erzählt Croucher mit viel Witz im Gespräch mit Games-Journalistin Emilie Reed. Und befolgt dabei seine goldene Regel “Subvert the norm, tear up the rule book“ aufs Wort: Statt sich wie geplant von Reed interviewen zu lassen, dreht er den Spieß um und befragt sie unter anderem zu ihrem beruflichen Hintergrund und ihrem Verhältnis zu Spielen. Großartig.


Brian Gibson in conversation with Csongor Baranyai: The Devolution of Thumper

Die siebenjährige Entwicklung des Rhythmusspiels Thumper wurde auf der A MAZE mit einer eigenen Sonderausstellung gewürdigt. Im Gespräch mit Ausstellungsleiter Csongor Baranyai erörterte Designer und Musiker Brian Gibson seine Vision hinter dem Spiel und gibt nicht nur Einblicke in dessen Philosophie, sondern auch den Leveleditor, mit dem er sogar live eine Strecke aus dem Spiel bearbeitet. Ein Muss für alle Fans des abstrakten Musikspiels.


George Buckenham: Very Quick And Very Slow

George Buckenham ist einer der Entwickler des wunderschönen Brettspiel-App-Hybriden Beasts of Balance. Sein Talk hat auf den ersten Blick nicht viel mit Spielentwicklung zu tun: Buckenhams Thema ist die Zeit und ihre Einheiten. Er beginnt mit der Planck-Zeit (0,000000000000000000000000000000000539 Sekunden) und arbeitet sich in mal kleineren, mal größeren Schritten bis in Größenordnungen von vielen Billionen Jahren vor, die schon beim Zuhören schwindlig machen.

Dabei betet er nicht nur Zahlen herunter, sondern nennt konkrete Bezüge, die sie begreifbar machen sollen. Und natürlich geht es dabei dann doch zumindest manchmal um Computerspiele. Ein paar Beispiele: Buckenham verrät etwa den aktuellen Weltrekord im Durchspielen von Spelunky (1 Minute, 39,716 Sekunden) oder wie lang der längste schnellste 100-Prozent-Speedrun aller Zeiten gedauert hat (345 Stunden, 3 Minuten und 12 Sekunden). Außerdem nennt er eine beeindruckende Zahl an Spielen, die exakt zehn Sekunden dauern. Auf die zugehörige Präsentation (mit vielen, vielen Nullen) müssen HörerInnen leider verzichten. Doch Buckenhams Reise durch die Zeit(einheiten) ist selbst ohne visuelle Unterstützung eine faszinierende und unterhaltsame Erfahrung.