gamescom 2015: Videogame Boreout

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Am Wochenende war wieder einmal gamescom. Fünf Tage lang standen die Tore der Kölner Messe offen, damit sich die größten und allergrößten Firmen, Entwickler, Publisher und Plattformen präsentieren können. Ich war für Superlevel exklusiv vor Ort – zusammen mit irgendwem von jedem anderen Videospiel-Blog, Radiosender und YouTube-Kanal. Alle waren da, um in die Zukunft der Branche zu schnuppern. Spoiler: Am Ende hat sich herausgestellt, dass die vor allem nach Schweiß riecht.

Was gab es Neues? Der Controller von Guitar Hero hat jetzt sechs Tasten und der kleine fliegende Roboter in Destiny eine neue Stimme. Vom offiziellen Wüstenrally-Spiel zum Reboot des Films von Mad Max gibt es schon vor der Veröffentlichung einen Klon. Außerdem erwarten uns mindestens drei neue MOBAs, deren Namen ich mir nicht merken konnte. LEGO Dimensions sieht genau so aus, wie jedes andere LEGO-Spiel der letzten zehn Jahre, aber hat dafür jetzt sowas ähnliches wie Amiibo-Figuren, die dann… irgendwas machen. Und bei Wargaming tanzen noch immer die gleichen unironischen Booth Babes in Militäruniformen. Das finden tagsüber alle Scheiße, um abends dann doch auf der Party des Free-to-Play-Anbieters zu erscheinen.

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Auch ohne einen Mangel an Begeisterungsfähigkeit oder Überschuss an Zynismus wirkte die gamescom 2015 egaler denn je. Leute treffen, Fandoms feiern, Netzwerken… sicher, gerne. Ort und Gelegenheit bot die Veranstaltung zwischen 6-Euro-Hamburgern und Business-Lounge-Biergärten wirklich genug an. Nur die Smalltalk-Gesprächsthemen mussten halt alle selbst mitbringen. Die neuen Spiele, die gezeigt wurden, waren nur als Trailer verfügbar. Und das waren die Trailer von der letzten E3.

Ob Deus Ex, Fallout, Uncharted oder Doom… die Let’s-Play-Kultur hat sich auch bei den Previews und Showcases der Publisher eingeschlichen. In bequemen Kinosesseln konnte anderen beim Spielen zugeschaut werden. Das ist ja auch viel bequemer, als die ganzen Leute selbst an die Demo zu lassen. Selbst das fast schon in Vergessenheit geratene Quantum Break wurde nur als Video gezeigt. Videos über ein Videospiel, dessen größtes Feature Videos sind. Die Zukunft ist nah!

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Zukünftiges angekündigt wurde auf der gamescom wenig und die wichtigste Neuankündigung Mafia III fand nur hinter den Kulissen statt. Aber das bisschen aufgewärmte vom Vortag reicht immer noch, um Massen anzuziehen, die die Besuchszahlen der E3 um ein vielfaches übersteigen. Der Rest ist Überfluss und zu viel von allem. Zu viele Menschen auf zu wenig Raum, zu viel Lärm und zu wenig, das in dem Rauschen wirklich gesagt wird. Zu viel Aufmerksamkeit und zu wenig, das Aufmerksamkeit verdient. Und obwohl ich wusste, was die gamescom ist und keine Erwartungen stellte, bin ich trotzdem enttäuscht.

Denn sogar die Indie Arena, die dieses Jahr alleine statt der Indie Mega Booth die Fahne der Kleinen und Unabhängigen hochhielt, vermochte nicht so recht zu begeistern. Pixelgrafik hier, noch mehr Pixel da… dank generischer Namenswahl und verbrauchter Trends bleibt die Hälfte der Spiele nicht im Gedächtnis haften. Und die andere Hälfte haben eh schon alle irgendwann mal mit irgendeinem Humble Bundle gekauft. Das provokanteste Spiel Party Hard ist auch nicht mehr, als eine verniedlichte Version von Hatred und am Stand von Speedrunners sitzt immer noch das selbe ironische Booth Babe vom letzten Jahr. Vielleicht liegt mein Frust aber auch nur daran, dass die Gespräche mit Indie-Teams mal wieder durch die wummernden Bässe der Soundanlage des benachbarten Fachhändlers für besonders bunt blinkendes Gedöns zu einem Schreiturnier gemacht wurden.

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Wer bereit war, 10 Minuten in der Tram zu verbringen, konnte versuchen, der multimedialen Kakophonie zu entfliehen. Im Cologne Game Lab wurde nur eine Fahrt mit dem Paternoster vom Haupteingang entfernt mit dem Notgames Fest das Spiegeluniversum zur gamescom entworfen. Klein, still und zumindest immer mit dem Versuch, etwas anders zu machen. Mountain als präsentestes Spiel lud mit Sitzkissen auf dem Boden dazu ein, die Rotation des Berges auf der Leinwand zu verfolgen. Am anderen Ende der Ausstellung lud hingegen ein großer Würfel dazu ein, sich mit seinen Mitspieler_innen zwischen Ton und Projektion bei der Jagd nach bunten Kreisen einsperren zu lassen. Notgames und Natürlich-doch-irgendwie-auch-Games.

Donnerstag gab es zusätzlich eine Ausstellung von Bachelor- und Master-Arbeiten der Game-Design-Studierenden, also eine mögliche Zukunft des Mediums zum Anspielen. Und zumindest fühlten sich die in wenigen Wochen entstandenen Spiele immer aufrecht an, wenn auch oft näher an den Trends und Konventionen des Mainstream orientiert, als das benachbarte Notgames Fest hätte vermuten lassen. Nicht nur durch die Ruhe, Spiele wirklich Spielen zu können, sondern auch die Bescheidenheit derer, die sie entwarfen. Und auch wenn es vielleicht etwas kitschig klingt, auch so etwas wie die Liebe zum Videospiel, die in den Warteschlangen vor dem Demostand von WWF 2K16 zwangsläufig verloren ging.

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Natürlich ist der Vergleich zwischen gamescom und Notgamescom der schlechteste Vergleich aller Zeiten – das sagt zumindest Marcus. Selbstverständlich hat eine Ausstellung digitaler Installationen mit 50 Besucher_innen nicht annähernd etwas mit den über dreihunderttausend — das ist eine so unvorstellbar große Zahl, dass sie es wert ist, ausgeschrieben zu werden — Teens auf der gamescom zu tun. Beides hat seine Daseinsberechtigung, genauso wie GIGA neben Superlevel seine Daseinsberechtigung hat, irgendwie. Und auch wenn ich jetzt schon weiß, dass ich nächstes Jahr wieder alles ganz schlimm finde, werde ich am Ende doch wieder nach Köln fahren. Alles nur der Videospiele wegen, natürlich.