Gedankenspiele: Über das Aus der PlayStation Vita
Manchmal kann bereits ein Anfang auch das Ende sein. Als die PlayStation Vita im Jahr 2012 weltweit erschien, hatte sich der Markt für mobiles Gaming bereits von dem entfernt, was sie symbolisierte. Eine ausdifferenzierte, leistungsstarke und komplexe Minikonsole, die AAA-Titel in die Hosentasche stecken sollte, kam zu spät zu einer Party, auf der sie zwischen wütenden Vögeln und obsthassenden Ninjas sonderbar und gestrig wirkte. Eine Erfahrung, die ein Jahr zuvor bereits Nintendo mit dem 3DS machen musste. Doch während dieser sich letztlich gegen die widrigen Umstände behaupten konnte und zur meistverkauften Spieleplattform der vergangenen fünf Jahre avancierte, ist die Vita Ende 2016 weitestgehend aus den Händlerregalen und sogar von der offiziellen PlayStation-Seite verschwunden. Es ist die Geschichte einer unfassbaren Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen, denen eine ungesunde Mischung aus Gier und Angst zugrunde lag. Und letztlich auch die Unfähigkeit, sich die eigenen Irrtümer eingestehen zu können.
Da waren der zu hohe Einführungspreis zu einem Zeitpunkt, an dem Nintendo sich bereits zu massiven Preisnachlässen gezwungen sah, da der 3DS wie Blei in den Regalen lag. Da war die ignorante Einstellung gegenüber der längst allgegenwärtigen Smartphone-Konkurrenz, die für einen Großteil der Spieleinteressierten genug Zerstreuung für unterwegs bot, ganz ohne nennenswerte Zusatzkosten. Da war die fehlende Erkenntnis, keine vergleichbaren Zugpferde wie Mario, Zelda oder Pokémon sein eigen nennen zu können und parallel wurde mit grottigen AAA-Ablegern von Call of Duty, Fifa oder Resistance dieser Makel noch zusätzlich unterstrichen. Da war die mangelhafte Rückwärtskompatibilität für PSP-, PS1- und PS2-Titel und der seltsame Sinneswandel, die Vita irgendwann nicht mehr primär als eigenständige Spielekonsole, sondern als Remote-Accessoire der PS4 zu vermarkten. Doch was tatsächlich den Untergang der Vita besiegelt hat, ist letztlich mal wieder die elendige Raubkopiererei.
“Games on tablets and phones have changed the marketplace and people can’t carry too many things around at one time.” (Fergal Gara)
Nun ist das Problem mit illegalen Spielekopien in Zusammenhang mit der PlayStation Vita wohl nicht sonderlich geläufig. Das liegt zum Teil daran, dass es keins gibt, doch viel wesentlicher ist sicher Sonys überzogene Paranoia in Bezug auf die Problematik, die nie wirklich öffentlich kommuniziert wurde. Diese war schlussendlich dafür verantwortlich, dass statt gängiger Speicherkartenformate, wie sie etwa der 3DS nutzt, ein eigenes proprietäres Format Verwendung fand. Und nein, ich meine damit nicht den bereits von der PSP und Sonys Kameras genutzten Memorystick, sondern diese winzigen, nur von der Vita nutzbaren Kärtchen, die bis heute zu völlig absurden Preisen veräußert werden.
Um es positiv zu formulieren: Ohne internen Speicher und der Abhängigkeit von diesen möglichst inkompatiblen Datenträgern hat es Sony geschafft, unerlaubte Kopien vom Vita-Ökosystem weitestgehend fernzuhalten. Doof nur, dass diese Aussage genauso für zahlungswillige Interessenten gegolten haben dürfte, die verständlicherweise nicht dazu bereit waren, einen dreistelligen Betrag für 32GB Speicherplatz zu zahlen. Doch anders als Nintendo ignorierte Sony den dringenden Nachbesserungsbedarf der eigenen Preispolitik und schon wenige Monate nach der Markteinführung begann das Totschweigen der eigenen Fehlplanung. Es gab keine Ankündigungen für künftige Spiele, keine Berücksichtigung des Systems auf großen Spielemessen und schon gar keine sichtbaren Konsequenzen, um dem Dilemma, in dem sich Sony mit der Vita befand, auf welche Art auch immer zu entkommen. Es war fast, als hätte es sie nie gegeben.
Prioritäten sind wichtig: “We decided to release new colors for the PS Vita this fall.”
Statt bombastischer Spielegroßproduktionen bot die Vita in den vergangenen Jahren Portierungen teils großartiger Indie-Produktionen wie Spelunky, Nuclear Throne oder Darkest Dungeon. Titel, die spürbar auch auf ein mobiles Spielerlebnis zugeschnitten sind. Der verschmähte Handheld gelangte so in gewisser Weise zu seiner verspäteten Daseinsberechtigung, doch statt diese neue Entwicklung zu begrüßen und in die Welt zu tragen, hat letztere davon aufgrund des anhaltenden Schweigens seitens Sonys leider nicht mehr viel mitbekommen. Dass Sony die Vita nicht gänzlich vergessen hat, äußerte sich in der jüngeren Vergangenheit leider ausschließlich in einem Firmware-Update, dass die Nutzung von Emulatoren kurze Zeit nach deren Erscheinen wieder unterband. Bei potenziellen Raubkopien reagiert man bekanntlich sehr empfindlich.
Am Ende wirkt es wie die Ironie des Schicksals, dass ein Handheld, der nach dem lateinischen Begriff für “Leben” benannt wurde, nie ein eigenes entwickeln durfte. Als ein nicht gehaltenes Versprechen, von dem am Ende keiner mehr zugeben will, es je geäußert zu haben, verschwindet die Vita eingehüllt in den Mantel des Schweigens. Sie lebt jetzt zusammen mit dem Virtua Boy und dem Power Glove auf einem Bauernhof im Norden der Stadt, wo es ihr besser geht. Dort ist übrigens auch noch reichlich Platz für das PlayStation VR-Headset.