Kostenpflichtige Mods: Mo’ Money Mo’ Problems – Update

Wenn ich an Modifikationen (kurz: Mods) denke, kommen mir nebst den gängigen Änderungen auch Dinge wie eine fliegende Lokomotive, Schönheitsoperationen von in die Jahre gekommenen Spiele oder gar die Erstellung komplett neuer Geschichten in den Sinn. Mods ziehen das Spiel ins Lächerliche, ändern dessen gesamte Struktur oder verbessern diverse Fehler… und sind dabei oftmals von einzelnen Leuten in deren Freizeit entwickelt worden. Eine idyllische Szene, basierend auf der Leidenschaft von Spielern, welche Valve nun einfach in den Ruin getrieben hat. Zumindest, wenn man den aktuellen Aufschreien glauben kann.

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Der Grund für den Tumult? Nachdem Valve bereits mit dem Verkauf von Hüten in Team Fortress 2 auf eine Goldader gestoßen ist, welche einigen Leuten sogar ermöglicht von den Einnahmen zu leben, freundeten sie sich immer mehr mit Mods an. Diverse davon lassen sich nun im Shop finden, unter anderem The Stanley Parable, welches seine Wurzeln in einer Modifikation der Source-Engine hat. Der Nachfolger dieser Engine, Source 2, wird den Fokus sogar auf die Erstellung von nutzergenerierten Inhalten legen. Der nächste logische Schritt für Valve war demnach, Modifikationen im Steam Workshop nun auch zu verkaufen, beginnend mit der Mod-Bastion schlechthin: Skyrim. Den Moddern steht dabei völlig frei, ihre Änderungen wie bisher gratis zu veröffentlichen, einen festen Preis anzugeben oder einen freien Betrag zu verlangen. Weiterhin erstattet Valve alle Käufe innerhalb von 24 Stunden im Falle von Problemen oder Nichtgefallen zurück, ohne eine Begründung zu verlangen. Die Grundidee ist dabei auf den ersten Blick nicht schlecht: Einnahmen könnten die Qualität und auch Quantität der Modifikationen steigern, was wiederum den Wiederspielwert der Spiele erhöht. Weiterhin wird durch den Komfort von Steam und dessen Bekanntheit automatisch auch ein grösseres Publikum angesprochen. Und trotzdem wird in einigen Foren nun der Untergang von Mods prophezeit und Valve in einer Petition dazu aufgefordert, die Funktion zu deaktivieren. 108.886 Leute haben sie bereits unterschrieben.

Überfliegt man nun die…Bedenken, scheinen zwei Lager zu existieren. Auf der einen Seite wird die Kommerzialisierung von Mods kritisiert. Alleine hier handelt es sich um ein Pulverfass, welches sich nur schwer entschärfen lässt. Modifikationen sind seit jeher die Produkte von passionierten Spielern und Programmierern, welche diese aus Spaß erstellen und teilen. Sie bauen auf dem Spiel auf, nicht selten gegen den Willen des Entwicklers, weil sie es können. Und nun wedelt Valve mit ihren Geldscheinen und versucht, die Rebellen zu zähmen. Es ergibt Sinn, dass viele daher die Nase rümpfen. Die Gegenargumentation dazu ist trotzdem berechtigt: Wieso sollten die Modder, welche Zeit und Arbeit in ihre Projekte stecken, nicht die Freiheit haben, Geld dafür zu verlangen? Selbst der Nexus, die bekannteste Plattform für Modifikationen diverser Spiele, bietet so schon seit einiger Zeit die Möglichkeit an, Entwickler mit freiwilligen Spenden zu unterstützen. Hinter welchem Argument die jeweiligen Modder nun stehen, sollte deshalb egal sein, solange ihre Entscheidung respektiert wird. Die grösseren Probleme sind auf einer anderen Seite vorhanden: Bei Valve und den Herausgebern.

“Die Höhe der prozentualen Beteiligung am bereinigten Bruttoumsatz, auf die Sie Anspruch haben, wird vom Entwickler/Herausgeber desjenigen Anwendungs-Workshops bestimmt, in dessen Rahmen Sie Ihren Spielbeitrag eingesendet haben”

So bestimmt unter anderem der Entwickler oder der Herausgeber, welchen Prozentsatz die Entwickler der Modifikationen schlussendlich erhalten. Im Falle Skyrims wandern nur 25% des Erlöses auf die Konten der Modder. 40% landen bei Bethesda, während die restlichen 35% an Valve gehen. Zumindest grundsätzlich. Valve bietet den Moddern zusätzlich bei jedem Upload an, 5% an einen oder mehrere sogenannter Service Providers zu verteilen, unter anderem auch an den Nexus. Valve opfert von ihren 35% also freiwillig einen Teil, um die bisherigen Seiten zu unterstützen. Ohne Fäden, solange die Einnahmen nicht veröffentlicht werden. Und trotzdem empfinden viele diese Verteilung als ungerechtfertigt. Durch die geringere Prozentzahl werden die Modder für sie nicht gleichgesetzt mit den Entwicklern, sondern indirekt als minderwertig bezeichnet. Solche geringen Margen sind außerdem für Projekte wie Enderal zu wenig, um die neu aufkommenden Kosten begleichen zu können, wie Nicolas Lietzau, künstlerischer Leiter des Projekts, im Interview mit Gamestar bestätigte. Dean Hall, Schöpfer vom DayZ-Mod, argumentiert hingegen, dass die Professionalisierung von Mods auch die Sichtweise auf sie ändert. Aus geschäftlicher Sicht sei die aktuelle Teilung so eigentlich fair, da diverse Aspekte wie der Wert der Marke und die Kosten der Tools einberechnet werden müssen. Valve-Chef Gabe Newell bestätigte zudem auf Reddit, dass die bisherigen Einnahmen von 10.000 Dollar nur 1% der Kosten vom E-Mail-Verkehr abdecken, den der Verkauf der Mods in den letzten Tagen verursacht hat. Aktuell verliert Valve demnach Geld, anstatt ihr Vermögen zu vermehren.

Die Probleme fangen damit allerdings auch erst an: Mods werden nach wie vor inoffiziell von einzelnen Leuten hergestellt und sind stark abhängig von dem eigentlichen Spiel. So ist es möglich, dass man mit der gekauften Modifikation zunächst glücklich ist, die 24 Stunden Rückgabefrist verstreichen lässt und nach einem Update von Bethesda vor einem Scherbenhaufen steht. Die Modifikationen funktionieren nicht mehr, ein Downgrade ist nicht möglich und die entsprechenden Modder aktualisieren die Änderungen nicht. Was bisher mit der freien Natur von Modifikationen verkraftbar war, ändert sich mit dem Faktor von Geld schlagartig. Ein Risiko, welches von Valve zudem nicht ausreichend erwähnt wird. Robin Scott, der Gründer von Nexus, befürchtet zudem, dass die Offenheit von Modding in Gefahr geraten könnte. Was passiert mit den kleineren Seiten, wenn Modding nur noch auf einer offiziellen Plattform erlaubt ist? Eine Frage, auf welche Gabe Newell eher scheu antwortete. Newell bestätigt, dass dies kein Ziel von ihnen ist, möchte den Entwicklern und Herausgebern allerdings nicht vorschreiben, was sie tun sollen.

Hinzu kommen die Betrüger und Scharlatane. Bereits jetzt werden Modifikationen von Personen hochgeladen, welche diese nicht erstellt haben. Valve schaltet die Option für den Verkauf zwar erst nach einer gewissen Zeit frei und stellt ein DMCA-Formular bereit, um auch die letzten Schummler herauszufiltern. Da Valve allerdings nicht für ihren exzellenten Support bekannt ist, sind Bedenken nicht unangebracht. Auch wird befürchtet, dass der Store von minderwertigen Mods überflutet wird, da die Aussicht auf schnelles Geld verlockend ist. Noch größere Probleme in diesem Gebiet stellen allerdings Modifikationen dar, welche Teile oder ganze Mods von anderen Entwicklern nutzen oder sogar benötigen. Ein Angelmod vom Modder Chesko, welcher Animationen eines weiteren Entwicklers benötigte, wurde so wieder freiwillig aus dem Workshop entfernt. Valve sieht kein Problem darin, wenn Mods voneinander abhängig sind. Gewisse Modder sind aber verständlicherweise nicht darüber froh, wenn sich Trittbrettfahrer indirekt an ihrer Arbeit bereichern. Das Endresultat der Geschichte: Chesko entfernte alle seine Mods aus dem Steam Workshop und zieht in Betracht, das Modding gänzlich aufzugeben.

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Was lässt sich daraus ziehen? Die Kommerzialisierung von Mods birgt viel Potential. Deren Schöpfer werden dadurch endlich als das angesehen, was sie eigentlich sind: Entwickler, die für ihre Arbeit entlohnt werden können. Genau das kommerzielle Element stellt sich aber so stark gegen die rebellische Ideologie, dass Spaltungen und Spannungen eine natürliche Folge sind. Am Ende des Tages existiert der Nexus weiterhin (und erhält sogar einen Teil der Einnahmen vom Workshop, was seine Existenz noch stärker sichern sollte), ModDB kann immer noch aufgesucht werden und diverse weitere Alternativen sind ebenfalls vorhanden. Valve hat schlussendlich nur eine weitere, aktuell leicht fehlerhafte Option veröffentlicht. Was die Leute aber mit dieser Option anfangen, ist ihnen überlassen.


Update

Valve hat heute die Deaktivierung der Funktion bekanntgegeben, nach einer Rücksprache mit Bethesda. Alle bisherigen Käufe werden dabei vollständig zurückerstattet. Die Ankündigung gibt als Hauptgrund dafür die Unterschiede zwischen der Community von Valve und der von Bethesda an, welche ignoriert worden sind. Die ältere und stark etablierte Modding-Szene von Skyrim sei wahrscheinlich der falsche Ort gewesen, um die Funktion zu testen und zu veröffentlichen. Aufgrund dessen wurde das Ziel, die Qualität von freien und kostenpflichtigen Mods zu fördern, stark verfehlt. Valve ist allerdings überzeugt, dass die Funktion auch nützliche Aspekte besitzt und wird nun das eingegangene Feedback auswerten.

“We’ve done this because it’s clear we didn’t understand exactly what we were doing.”

Das Experiment ist demnach schief gelaufen und alles bleibt (vorerst) beim Alten. Die berechtigte Diskussion über das Thema wurde damit nun allerdings entfacht und wird noch einige Tage weitertoben. Gabe Newell hat mit dieser Reaktion immerhin auch gezeigt, dass er auf seine Kunden hört, ein Merkmal welches in der Industrie inzwischen nicht mehr gewöhnlich ist. Ob deren Forderungen auch immer gerechtfertigt sind, ist eine andere Frage.