Ze Fyutscha is now: Game Science Center im Interview
“You are never going into space. You will never own a jetpack. Your car will never fly. HIV will not be cured in your lifetime. Cancer will not be cured in your lifetime. The common cold will not be cured in your lifetime. Don’t these things bother you?” – Warren Ellis
Auf Cay Kellinghusen traf Peter Klement zum ersten Mal auf der Making Games-Konferenz 2010 und später kreuzten sich die Wege im Schnitt alle anderthalb Jahre. Zuletzt auf der neuen GDC-Parallelveranstaltung Respawn: Gathering of Game Developers. Cays Arbeitgeber Spellbound war Geschichte, Teile davon wurden zu Black Forest Games und er gründete das Game Science Center. Eine Ausstellung, in der all die coolen Projekte, die mit all diesen coolen über Kickstarter finanzierten Controllern gebaut werden können, in bestem Licht gezeigt werden sollten. Die Vorstellung eines Raumes irgendwo zwischen Doc Browns Garage, dem Cybertierladen aus Blade Runner und abgeranzter Independent Gallerie drängte sich auf. Seit kurzer Zeit gibt es auch Räume für März und April. Zeit für ein Interview.
Wer eure Seite besucht, der findet dort abgefahrene Technik: Neuro-Controller, die aussehen, als wären sie direkt aus einem Science-Fiction-Film, Motion Controller, die normale Monitore zu Touch Screens aufmotzen und vieles mehr.
Cay Kellinghusen Der Neuro-Controller sieht aus wie eine metallische Headcrab. Das ist schon ziemlich abgefahren.
Zum Einstieg stellt bitte kurz euch und das Game Science Center vor. Danach werden wir uns über die Zukunft unterhalten und die wirklich wichtige Frage beantworten: „Where is my fucking jetpack?!“
Cay Ich bin Projektmanager, habe Informatik studiert, war an der Games Academy, habe mich da mit Programmierung beschäftigt und bin dann ins Game Development eingestiegen. Danach war ich Assistent für den Executive Producer von Arcania und habe danach die Kontrolle über meine eigenen Projekte bekommen. Als Spellbound dann niederging, bin ich nach Berlin gekommen, um mich mit Cyrill selbstständig zu machen. Kurz darauf sind wir auf diese freakige Idee gekommen, das Game Science Center zu gründen.
Cyrill Etter Ich bin Game Designer, und habe damals 2004 in der Games Academy in Berlin angefangen zu studieren. Ich komme ursprünglich aus Basel in der Schweiz. Den Schritt nach Berlin bin ich gegangen, weil es damals in der Schweiz überhaupt nicht möglich war, so wie über die Games Academy, in die Spielebranche einzusteigen. Dort habe ich dann auch Cay kennengelernt und zusammen sind wir dann in Süddeutschland bei Spellbound gelandet. Ich habe für Arcania Game Design gemacht. 2011 bin ich dann nach Berlin und habe mich da ein Jahr lang selbstständig gemacht als Designer für kleinere Indie-Projekte und Web Design. Bald darauf haben Cay und ich uns entschlossen zusammen dieses große Projekt anzugehen und seither arbeiten wir eigentlich die ganze Zeit daran.
Ihr seid — das steht ja so auf eurer Seite — ein „Permanent independent exhibition space in Berlin, that showcases innovative projects combined with the latest technology“. Das ist schon eine ziemlich steile Ansage.
Cay Das ist es. Aber im Grunde ist es nicht ganz so monumental, wie man sich das vielleicht vorstellt. Momentan gibt es viele innovative Projekte in der Indie-Szene und genauso viele innovative Technologien, die jetzt durch den Kickstarter-Boom auf den Markt kommen. Wir haben das gesehen und wollen diese Technologien zusammentragen, damit Early Adopter nicht mehr auf Verdacht kaufen müssen.
Cyrill Ein wichtiger Teil, den man dazu noch sagen muss, ist dass wir um diese verschiedenen Hardware-Teile viele kleine Projekte finden, die die Hardware viel besser präsentieren als große Produktionen, die halt immer irgendwie massentauglich sein müssen. Gerade in der Indie- und Game-Jam-Szene sind wir da auf viele Ideen gestoßen, die die Hardware im besten Licht und vor allem kurz präsentieren. Wir versuchen im Game Science Center in erster Linie kurze Erlebnisse anzubieten und nicht etwas fürs Zuhause. In der Ausstellung ist die Erfahrung kürzer, dafür aber unter idealen Bedingungen.
Wie bereits erwähnt, auf eurer Homepage wird man unter dem Punkt „Tech“ ziemlich erschlagen von einem Haufen abgefahrener Technologie. Meine persönlichen Top Drei sind das Occulus Rift, der Neuro-Controller EPOC und der Motion-Controller LEAP. Habt ihr das tatsächlich alles da oder sind ein paar der gezeigten Dinge noch auf der Wunschliste?
Cay Teils, Teils. Das Occulus Rift ist ja noch nicht offiziell draußen. Die haben ja in einer zweiten Finanzierungsrunde nochmal Geld bekommen und zielen jetzt auf einen Release in diesem Jahr. Wir haben aber das Dev-Kit hier und auch den Motion-Controller LEAP. Das Emotive EPOC gibt es schon länger –- die hatten auch eine Kickstarter-Kampagne für die Mark-2-Version, das Emotive Insights – das kommt dieses Jahr. Daher haben wir die Rubrik „Tech“ auch als „Technologien, die wir mögen“ deklariert. Vieles davon ist noch in der Entwicklung und bestenfalls als Prototyp zu haben, wobei wir die auch schon ausstellen können, wenn ein Dev-Kit mit dabei ist.
Was ist der Plan des Game Science Centers? Wollt ihr ein Business Modell beweisen? Irgendwann mal Chapters gründen, so dass es in jeder Stadt ein Game Science Center gibt? Oder doch nur schnöde Weltherrschaft?
Cay Weltherrschaft wäre cool, aber momentan versuchen wir erst mal das Ding hier in Berlin aufzumachen. Fürs erste gehen wir mit dem Flow und schauen was passiert. So ein Franchise daraus zu machen wäre auf jeden Fall eine Idee, aber wie gesagt: Im Moment geht es primär um den Aufbau.
Cyrill Die Vision erst mal umzusetzen ist ein wichtiger Aspekt. Für mich persönlich ist ein starker Antriebspunkt, dass ich früher Leute zu mir heim eingeladen habe und denen da neue spannende Sachen präsentiert habe. Ich sehe das Game Science Center ein bisschen als große Version davon. Wie sich das Ganze entwickeln wird, wenn wir es erst auf die Beine gestellt haben, können wir beide noch nicht wirklich absehen.
Cay Es hängt alles sehr davon ab, wie gut es angenommen wird. Unser mittelfristiger Plan ist, dass wir durch die Ausstellung finanziell so sicher sind, dass wir ein kleines Team aufstellen können, damit wir auch selber mit den Technologien experimentieren können. So haben wir den einzigartigen Vorteil, dass wir keine Consumer-Produkte bauen müssen. Wir können uns unsere eigenen Rahmenbedingen setzen und sagen „Das muss jetzt in einem Rahmen von drei auf drei Metern funktionieren und Kinect, Occulus Rift und noch zig andere Technologien nutzen, die wir da irgendwie rein stopfen können” — nur um zu beobachten, wie sich die Interaktion im Zusammenspiel mit so vielen verschiedenen Technologien verändert.
Seid ihr nun ein Labor oder ein Workshop?
Cyrill Weder noch eigentlich. Es ist so gedacht, dass wir die erste Aktion mit externen Projekten starten aber langfristig wollen wir auch mit eigenen Projekten den Besuchern und Bewohnern Berlins das Neuste an Technologien cool inszeniert präsentieren.
Cay Der Gedanke eines Labors ist auf jeden Fall auch im mittelfristigen Plan. Wir haben schon so viele Leute getroffen, die am liebsten eine Person abstellen würden, die sich nur mit Projekten im Game Science Center beschäftigt. Durch die zahlreichen neuen Kontakte aus der Indie- und Game-Jam-Community merken wir, dass es da viele Möglichkeiten gibt sich zusammenzutun und ein Gemeinschaftslabor aufzustellen. Sobald wir bewiesen haben, dass das Ausstellungskonzept funktioniert und wir uns damit halten können, ist das auf jeden Fall das erste, was wir danach machen wollen.
Was ist euer langfristiges Ziel? Raketenwissenschaft, Machbarkeitssudie oder beides?
Cay Was für eine Frage! Ich glaube es ist etwas dazwischen. Machbarkeitsstudien sind uns vielleicht ein bisschen zu langweilig. Aber im November war beispielsweise der Science Hack Day in Berlin und das ging total ab. Wir freuen uns immer darauf mehr Leute kennenzulernen, die mit Technologie experimentieren. Einen Amerikaner aus der Maker-Szene kennen wir schon und es wäre auf jeden Fall interessant mehr mit Kommerzprodukten zu machen: Wie kann man sie kombinieren und wie kann man diese neue Kombination massentauglich machen. Raketenwissenschaft ist es vielleicht nicht, aber auf jeden Fall mehr als Machbarkeitsstudien.
Wir springen jetzt ein Jahr in die Zukunft: Das Militär steht bei euch vor der Tür und sagt: „Guten Tag, wir hätten gerne zwölf Dutzend von diesen VR-Experience-Suites, wir können die total gut nutzen, um Leute zum Töten auszubilden. Hier sind zwölf Millionen. Liefern Sie auch in Tarnfarben?“
Cyrill Wir haben bewusst das Wort „Independent“ vorne dran und gewisse Richtlinien, die daraus folgen. Ein Beispiel wäre, dass wir nicht wollen, dass Sony verbietet etwas von Microsoft auszustellen und umgekehrt. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir unabhängig bleiben wollen und ich denke, dass würde in diesem Fall auch zutreffen. Obwohl Geld natürlich immer verlockend ist, sind wir der Überzeugung, dass wir uns allein durch die begeisterten Besucher tragen können.
Cay Auftragsarbeiten sind nicht unser Ziel. Wir haben auch nicht den Plan damit reich zu werden. Das Ziel ist durch die Ausstellung so viel einzunehmen, dass wir die Freiheit haben mit mehr Dingen zu experimentieren. Selbst, wenn es uns nicht möglich wäre Auftragsarbeiten zu vermeiden, würden wir einen solchen Auftrag auf jeden Fall vermeiden.
Cyrill Ich würde da auch den schweizerischen Weg gehen.
Was von den ganzen Controllern und VR-Geräten hat eigentlich das Zeug dazu, Maus und Controller zu altbackenen Geräten zu machen?
Cyrill Die meisten Technolgien stecken noch in den Kinderschuhen. Gerade Neuro-Controller sind noch sehr rudimentär. Muscle-Impulse- und Motion-Controller kommen langsam voran. Eine so schnelle und große Revolution, wie sie beispielsweise Touch war, sehe ich in der nächsten Zeit nicht kommen. Allerdings werden bestehende Technologien immer ergänzt, LEAP ist dafür ein gutes Beispiel, da es bald in Notebooks eingebaut werden soll. Ich denke das homogene Zusammenspiel der verschiedenen Technologien ist eine der entscheidenden Prozesse in den nächsten Jahren.
Cay Bei der Frage muss ich an Southland Tales denken, da hat Sarah Michelle Geller so einen Satz: “Scientists are saying the future is going to be far more futuristic than they originally predicted.” Wir können ein bisschen nach vorne schauen und schätzen, was die Evolution der Techniken ist, die wir jetzt schon kennen. Ich glaube, es wird eine Kombination aus mehreren Sachen geben: Motion-, Voice- und eventuell auch Neuro-Controls. Wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt, aber ich glaube das Jetpack wird noch sehr lange auf sich warten lassen.
Cyrill Augmented Reality wird in den nächsten Jahren noch größere Fortschritte machen –- auch unterstützt durch Google Glass und verschiedene Projekte auf Kickstarter, wie meta.
Als Auch-Kind der Neunziger, bin ich sehr daran interessiert, dass Virtual Reality Wirklichkeit wird. Was braucht es dafür?
Cyrill Wir sind davon überzeugt, dass wir in drei Jahren eine sehr holodeckähnliche Erfahrung im Game Science Center anbieten können. Wir sind aber noch nicht ganz sicher, wie wir das massentauglich machen. Im Moment spielen wir da noch mit Modellen, die dann vielleicht auf etwas Brauchbares hinauslaufen.
Cay Ich glaube es dauert noch ein bisschen bis VR wirklich in diesem Holodeck-Sinn nach Hause kommen kann. Im Moment gibt es da einfach zu viele Komponenten, die man dafür benutzen muss: Zum Beispiel das Omni, mit dem du dich in der virtuellen Welt bewegen kannst, aber das Ding ist halt mehr so eine Tretmühle, in die du dich rein schnallen musst und dazu noch das Occulus Rift aufsetzen. Dann gibt es da noch Kickstarter-Projekte mit Motion-Capturing-Sensoren, die du an deinem Körper festmachen musst. Das ist alles noch ein bisschen teuer, kompliziert und unpraktisch, um es mit nach Hause zu nehmen. Es wird sich extrem viel tun, doch das braucht noch Zeit.
Cyrill Das ist genau die Sparte, wo wir uns aufstellen: Für die ideale Erfahrung brauchst du eben das ideale Setup, in Form von Platz und der richtigen Ausrüstung. Besonders für VR-Ausstellungsstücke ist das unser Ziel.
Wenn man euch in Bälde besuchen kann, was sind denn eure Flagschiff-Exponate?
Cay Die Sachen, für die wir im Moment den meisten Enthusiasmus haben, sind zwei Projekte mit Occulus Rift, das ist einmal Lunar Flight und das andere ist Soundself. Es gibt noch andere Projekte, die das Rift auch einsetzen. Bei Lunar Flight sitzt du beispielsweise in einer Raumkapsel und fliegst über den Mond, das ist schon eine extrem coole Erfahrung. Die anderen Exponate sind auch alle wahnsinnig gut. Es ist echt schwierig für uns zu sagen, wo man da Zukunft erleben kann, denn für uns sind die ganzen Exponate schon Gang und Gebe. Aber ich glaube es gibt viele Leute da draußen, die zum Beispiel Motion-Controller, wie LEAP oder Kinect, noch gar nicht probiert haben und davon schon ziemlich weggeblasen werden. Das könnte ihre Version von Zukunft natürlich nachhaltig beeinflussen.
Cyrill Wenn das Gespräch mit einem Entwickler klappt, dann haben wir vielleicht bald unser Pendant zur Painstation. Das wird eine Art virtuelles Pong mit Occulus Rift. Besonders freut mich daran, dass man es mit mehreren Leuten spielen kann. Es ist wichtig für mich, dass es in der Ausstellung Sachen gibt, an denen mehrere Leute miteinander interagieren können, damit es nicht nur Einzelerlebnisse gibt.
Wenn du sagst das Äquivalent zur Painstation…
Cyrill Ohne Pain, muss man dazu sagen, dafür aber mit einem anderen Wow-Faktor. Wir haben bei der Analyse anderer Ausstellungen gesehen, dass die Painstation ein sehr beliebtes Ausstellungsstück ist. Das führen wir nicht nur auf den Schmerz zurück, sondern auch darauf, dass man mit anderen spielerisch interagieren kann.
Ich denke, damit nähern wir uns dem Ende. Habt ihr noch wichtige Fakten, die ans Ende des Interviews müssen?
Cyrill Zum einen freuen wir uns durch den Aufbruchsmoment über jeden Like, wir haben da keine Hemmungen das zuzugeben. Wir sehen das als Projekt, zu dem uns Leute ohne weiteres eine E-Mail schreiben können, um Projekte vorzustellen, von denen sie glauben, dass sie passen. Neue Projekte oder Technologien, wir sind offen für Vorschläge und sehen uns auch nicht auf einer anderen Augenhöhe.
Cay Wir lernen durch unser Projekt unheimlich viele coole Leute kennen, die interessante interaktive Projekte machen. Dadurch bauen wir fast schon so eine Art Community auf und es ergeben sich daraus viele Verbindungen zwischen den Projekten und den Leuten. Das ist eine ziemlich coole Sache. Das Netzwerken zeigt uns Parallelen zwischen den Ideen der Leute auf und wir versuchen das Ganze zu verbinden, damit etwas richtig Krasses dabei rauskommt. Es motiviert mich unheimlich immer mehr Leute kennenzulernen und dann zu sehen, wie man sie zusammenbringen kann.
Cyrill In der Indie-Szene gilt vor allem das kollaborative und nicht das kompetitive Denken.
Cay Das war schon eine Offenbarung für mich, das kannte ich aus dem Arbeitsleben so nicht. Dass alle miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, ist einfach geil. Wir freuen uns über jeden, der eine Idee oder ein eigenes Projekt am Start hat.
Cyrill Im Moment ist es auch wichtig, dass möglichst viele Leute überhaupt wissen, dass wir eine Plattform sind, auf der man sich und sein Projekt präsentieren kann. Jeder Share und jeder Like ist wertvoll für uns, weil dadurch auch wieder Leute auf uns aufmerksam werden, die eventuell coole Projekte am Start haben.
Vielen Dank für das Interview!
Peter Klement arbeitet als Projektmanager im GEELab Karlsruhe mit an der Zukunft der Videospiele und führte dieses Interview für die vierte Ausgabe des WASD-Magazins.