Treffen sich ein Ritter, ein Wikinger und ein Samurai in einer Bar...
Ich weiß noch genau, wie mein Vater mich damals zum ersten Mal mit ins Kolosseum genommen hat, um Ralf Moeller kämpfen zu sehen. Den kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen, wo er auf Malle gegen Haie gekämpft hat, aber richtig Fan wurde ich erst, als ich ihn schließlich live und in Farbe gegen die Sith antreten sah. Nach zahlreichen Stunden mit Ubisofts Mittelalter-Mischmasch For Honor könnte ich schwören, dass einer der Studio-Oberen einem ähnlichen Fiebertraum erlegen sein muss. Anders kann ich mir den Riss im Raum-Zeit-Dämlichkeits-Kontinuum, der Ritter, Wikinger und Samurai auf ein und dasselbe Schlachtfeld holt, nicht wirklich erklären. Glücklicherweise kann man sich derlei Geschichtsdiarrhöe recht gründlich mit einem feuchten Tuch vom Poppes wischen, denn spätestens, wenn die erste Berserkeraxt den eigenen Schädel spaltet, ist Schluss mit kritischem Denken und Zeit für Blutrache!
Denn so hirnlos die Prämisse auch sein mag, wer ebenso kämpft, dessen Kopf rollt häufiger über den Rasen als der Ball in der samstäglichen Sportschau. In seinem Kern hält For Honor ein beinhartes und hochtaktisches Kampfsystem versteckt, dessen Feinheiten sich auf den ersten Blick nicht jedem erschließen dürften. Die pompöse und wirklich eindrucksvolle Aufmachung sollte man deshalb erst einmal mit der für einen mehrspielerfokussierten Titel ein wenig erzwungen wirkenden Kampagne aufsaugen. Diese führt einen sanft an die grundlegenden Mechaniken und Charakterklassen heran, setzt alle hübschen Grafikeffekte gekonnt in Szene und auch wenn es dieses Mal keine ubitypischen Funktürme zu erklimmen gibt, darf man zumindest völlig bescheuert auf wertvolle Vasen eindreschen, damit man am Ende nicht gänzlich ohne Sammelbares dasteht.
Mit Abschluss der drei Fraktionskampagnen hat man schließlich das nötige Rüstzeug, um die ersten Multiplayer-Duelle zu bestreiten. Nachdem man das ein paar Mal gemacht hat, wechselt man anschließend reumütig für zirka 30-50 Stunden in den Trainingsmodus, bis man wirklich das nötige Rüstzeug erworben hat, um im schweißtreibenden Kampf gegen menschliche Widersacher zu bestehen. For Honor ist ein Spiel für Spezialisten, auch wenn es nach außen hin sehr massenkompatibel präsentiert wird. Wer keine Kombos und Konterattacken auswendig lernen möchte, wird an den meisten Zweikämpfen ebenso wenig Spaß haben wie Thomas J. mit dem Bienennest in My Girl (Vorschläge für modernere und nachvollziehbarere Popkulturreferenzen bitte an marcus@superlevel.de).
Zwar gibt es durchaus auch patente KI-Kontrahenten, gegen die man in mehreren Spielarten antreten kann, doch der richtige Nervenkitzel ergibt sich erst, wenn man parallel auch im Kopf des menschlichen Gegenübers nach dessen Taktik wühlt um die eigene daran anzupassen. For Honor brilliert in diesen Momenten, in denen man sich Auge in Auge gegenübersteht und nicht von der Seite noch zwei marodierende Schwertschwinger das romantische Tête-à-Tête in eine unfreiwillige Gangbang-Situation transformieren. Denn in Spielmodi wie Herrschaft oder Scharmützel geht es weniger um die titelgebende Ehre, sondern um pures Chaos und blindes Gekloppe. Mag auch damit zusammenhängen, dass dies die Spielmodi sind, bei denen der ganze Auflevel- und Mikrotransaktionsquark zum Tragen kommt, der selten so künstlich übergestülpt wirkte wie hier. Und wo ich mich doch gerade schon so schön aufrege, sei außerdem erwähnt, dass For Honor keine dedizierten Server nutzt, sondern es stattdessen über Peer-to-
Stelle Netzwerk-Verbindung wieder her. Bitte warten…
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Peer-Verbindungen immer wieder zu unschönen Spielunterbrechungen kommt. Ein ziemlicher Scheiß ist das.
Nichtsdestotrotz ist For Honor ein erfreulich kompromissloses Hochglanz-Nidhogg geworden, solange man die ganze unnütze Staffage drum herum ausblenden kann. Hätte man bei Ubisoft den Mut gehabt, sich allein auf den packenden Duell-Modus zu konzentrieren und statt Vollpreis + Season Pass + Mikrotransaktionen einfach mal nur nen Zwanni dafür zu nehmen, es wäre schon jetzt mein absolutes Spiel des Jahres. Aber mit solchen Wunschvorstellungen an die Ehre eines globalen Großkonzerns zu appellieren dürfte ähnliche niedrige Erfolgsaussichten haben, wie Vadas Flirtversuche mit dem Lehrer ihres Schriftstellerkurses in My Girl (hier nochmal die Email-Adresse: marcus@superlevel.de).