The Lost Levels: 08/2013
Werte sommergeplagte Zielgruppe — eigentlich wollten wir alle im Juli ja nur ein Eis am Stiel, stattdessen gab es jedoch hauptsächlich hitzige Debatten und Gemüter: Entweder erregten wir uns am Moralverkehr sowie vielfältiger Spielearchitektur oder aber wir regten uns über Plastik-Staubfänger und umstrittene Fachliteratur auf. Selten regten wir uns aber auch ab, beispielsweise in Dota 2-Runden oder in der knuffig-zuckerwattesüßen Welt von Animal Crossing: New Leaf. Vor Schweiß triefend mussten wir also auch diesen Monat einige Spiele-Perlen temporär zurücklassen. Doch nun gibt es sie für euch knackig gebündelt. Daher heißt es heute ein weiteres Mal: Willkommen bei der August-Ausgabe von The Lost Levels.
The Walking Dead: 400 Days (PC/XBLA/PSN)
Manuel Clementine, Clementine! Immer nur Clementine! Als gäbe es in dem faszinierenden Universum von The Walking Dead nicht noch viele Geschichten mehr, die es wert sind, erzählt zu werden. Das dachte sich wohl auch ein kleines Team bei Telltale Games, die nun mit dem DLC The Walking Dead: 400 Days eine kurze Zwischenepisode veröffentlich haben, die als Überbrückung zur mit Spannung erwarteten zweiten Season im Herbst dienen soll.
Dieser DLC bedient sich an der zusammenhanglos wirkenden Struktur von Episoden-Filmen wie z.B. Short Cuts und erzählt die sich nur leicht kreuzenden Geschichten von fünf Menschen innerhalb des Zeitraums von 400 Tagen nach Ausbruch des Virus. Wie auch im ersten Teil werden Extremsituationen konstruiert, die zu schwerwiegenden Entscheidungen und menschlichem Drama führen und mir als Spieler damit eine Reflexionsfläche bieten, um mitzufühlen, mitzuleiden und meine eigenen Standpunkte in den präsentierten moralischen Dilemmas auszuloten. Die Dialoge, Charaktere und Situationen sind erstklassig geschrieben und auf dem selben, wenn nicht sogar etwas höherem Niveau als in Season 1 — einzig der fehlende Bezug zu den noch unbekannten Protagonisten verhindert die gleiche emotionale Wucht. Als Prolog und Charakter-Hintergrund-Geschichte für die kommenden Episoden ist diese Zwischenepisode auf jeden Fall wert gespielt zu werden, auch wenn bisher noch unklar ist, ob und wie sich diese fünf Charaktere in der zweiten Staffel wiederfinden werden. (Podcast)
Alone in the Park (iPad/PC/Mac/Linux)
Sebastian Für den Preis eines mit Limonade verseuchtem Glases Bier — was diese französisch-australischen Spieleentwicklerinnen von heute eben so trinken — bietet euch Katherine Neil mit Alone in the Park ein ganz besonderes Adventure-Erlebnis: Eine menschenhassende Protagonistin muss sich auf Schatzsuche in einem National-Park begeben und trifft dabei auf teils skurrile Gestalten des Alltags. Mit einem wunderbar trockenen Sinn für Humor, viel Schreibgeschick sowie einem vom Mauszeiger abhängenden Kartenerkundungsmechanismus ist hier ein feines Zweitlingswerk entstanden. Cheerio!Fist Puncher (PC)
Dennis Auftragen und polieren? So ein Quatsch. In Fist Puncher muss man schlagen und wegrollen. Schlagen. Und wegrollen. Das ist die einzige wirkungsvolle Taktik im 2D-Brawler. Die Kämpfe werden leider schnell repetitiv und langweilig, dafür passt der Humor dank Helden wie Dr. Karate und einer bienenwerfenden Imkerin. Doch dann wird es peinlich: Der schwächste Charakter mit der nutzlosesten Fähigkeit im Spiel ist eine Frau, die Gegner küsst und sie damit zu ihren Freunden transformiert. Witzig.
State of Decay (XBLA)
Benjamin Wenn Du in 100 Jahren die Ausstellung “A century of video games” konzipierst, auf der Du wichtige Hardware, Spiele und Trends des vergangenen Jahrhunderts dokumentieren willst, hier ein Tipp für Dich. Du solltest State of Decay ins Programm nehmen. State of Decay ist in gewisser Weise “State of Video Games”, denn wie kaum ein anderes Spiel konzentriert es, was SpielerInnen und EntwicklerInnen zu Beginn des 21. Jahrhunderts bewegt hat: Die Sache mit den Zombies, die Sache mit den Autos -– Open World, Basisbau, Rollenspiel, Sammelquests –-, schießen, fahren, Monster kloppen. Einiges davon macht es sehr gut, anderes sehr schlecht, aber alles sehr deutlich und mit klarer Intention.
Ein fehlerbehafteter, aber ein würdiger Abgesang auf die aktuelle Konsolengeneration. Jetzt wird es Zeit für etwas Neues.
QbQbQb (PC/Mac/Linux)
Sebastian Was als Ludum Dare 26-Einreichung begann, versucht nun — wie schon das von mir mittlerweile nur noch mit einem Naserümpfen quittierte Evoland — ein bisschen Geld abzuwerfen: Das Planeten-Match3-Drehdings-Spielchen QbQbQb wurde mitunter um neue Welten, einen eingängig-meditativen Soundtrack und sogar einen Zwei-SpielerInnen-Modus erweitert. Wer eine ruhige Erdenkugel schieben möchte, dem sei diese intergalaktische Zwischendurch-Tätigkeit ans Herz gelegt. Alternativ kann man ja auch erstmal die Demo-Version spielen oder sich von der kostenlos erhältlichen Klangkunst beschallen lassen.
Nataniev (iOS)
Dom Mit seinem jüngsten iOS-Experiment Nataniev wagt das kanadisch-japanische Wunderkind Aliceffekt den Spagat zwischen explorativem Abenteuer und einer Fitness-App. Nach der Installation funktioniert das (meist im Hintergrund laufende) Spiel als Schrittzähler, dessen Messungen in Bewegungen innerhalb der geheimnisvollen Spielwelt umgerechnet werden. Die aufs Laufen begrenzte Interaktion wird nur an besonderen Stellen durch das aktive Betreten eines neuen Bereichs unterbrochen. Gleichzeitig landen die Schritte einzelner Spieler in einem Pool, damit durch kollaboratives Laufen globale Ereignisse ausgelöst werden. Eine interessante Idee, die in der Umsetzung schön aussieht, gut klingt und Kalorien verbrennt.
Gun Monkeys (PC)
Dennis Ein Gun Monkey ist ein geklonter Affe mit einem Raketenwerfer. Logisch. In Gun Monkeys, dem neuen Spiel von Dan Marshall (Ben There, Dan That), duellieren sich die Waffenaffen in kleinen Multiplayer-Arenen und sammeln Energiepunkte. Die Duelle spielen sich schnell, überraschend taktisch und machen verdammt viel Spaß — wenn denn Spiele zustande kommen würden. Weil Gun Monkeys unter zu wenigen Spielern leidet, gibt es jetzt beim Kauf des Spiels eine Version zum Verschenken. Bewaffnete Affen: Das Geschenk des Sommers für Jung und Alt.
Rise of the Triad (PC)
Michael Rise of the Triad war eines dieser verbotenen Spiele, die ich damals als Schüler heimlich mit Freunden im Netzwerk des Informatikraums gespielt habe, während unser Lehrer vorne mehr oder weniger ahnungslos seinen Vortrag hielt. Der guten, alten Zeiten willen hatte ich mir diese Neuauflage blind gekauft, ohne viel zu erwarten. Zu meiner Überraschung entpuppte sich das neue ROTT als ein gelungener Transport eines Old-School-Shooters in die heutige Zeit: Das Spiel ist rüpelhaft, brutal, ungehobelt und schlichtweg pfeilschnell. Sämtliche Schwachsinnigkeiten des Originals in Form von absurden Waffen und kuriosen Einfällen, wie etwa dem Dog-Mode, haben es ebenso wie das dringend benötigte Augenzwinkern hinüber geschafft. Größtes Argument für ROTT dürfte aber der Multiplayermodus sein, der allen Duck-Cover-Kimme-Und-Korn-Pille-Palle-Shootern frech den Mittelfinger zeigt: Mit einem Rocketjump ist es möglich, quer über die halbe Map zu fliegen und wer blinzelt, hat Duelle in der Regel verloren.
Die hier aufgeführten Spiele sollten ursprünglich in einzelnen Artikeln besprochen werden, doch leider kam es aus Zeitgründen nicht dazu. In der monatlichen Serie The Lost Levels präsentieren wir diesen ‘Überschuss’ in Kurzform, damit die geleistete Vorarbeit nicht umsonst war. Außerdem wäre es schade, euch die geplanten Themen gänzlich vorzuenthalten.