In diesem Beitrag hält sich eine Schnecke versteckt. Und ganz viel Liebe.
Eigentlich passiert mir das nicht mehr: Ein Spiel ohne jegliche Erwartungshaltung zu starten und dieses dann mit stundenlangem Dauergrinsen nicht mehr weglegen zu können. Eigentlich. Denn kein Spiel hat mich in den vergangenen Monaten so sehr überrascht und fasziniert wie der bittersüße 2D-Action-Platformer Hollow Knight. Und das ist noch maßlos untertrieben. Tatsächlich habe ich mich seit Dirt Rally nicht mehr so schlagartig und Hals über Kopf in ein Videospiel verknallt. Doch während jenes unerbittliche Rennspiel mein Verlangen mit seiner distanzierten Kalte-Schulter-Attitüde erst so richtig zu schüren wusste, gibt mir Hollow Knight umso mehr zurück. Deshalb möge man mir an dieser Stelle bitte verzeihen, dass auch die folgenden Zeilen eher einem Liebesbrief als einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Spiel gleichen werden.
Hollow Knight könnte Hayao Miyazakis Adaption von Dark Souls sein, bei der er dessen düstere und mystische Spielwelt geschrumpft und die Ritter und Schleimblobs durch Käfer und Pilze ersetzt hat. Ein Kompliment an das Leben selbst. Ist es aber nicht. Denn was anmutet, als hätte ein großes japanisches Animationsstudio daran gewerkelt, wurde in Wahrheit von einem dreiköpfigen Entwicklerteam aus Südaustralien im Alleingang erschaffen. Handgezeichnete Rüsselkäfer, Mini-Quallen und Baby-Raupen! Sumpfige Graslandschaften, neugotische Untergrundbahnhöfe und kristallisierte Minenschächte! Eigentlich! müsste! Ich! Hinter! Jedes! Wort! Ein! Ausrufezeichen! Setzen! Von der ersten Sekunde an habe ich mich in dieser atemraubenden und bizarren Schönheit verloren. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen.
Schließlich ist Hollow Knight ein Metroidvania im klassischsten Sinne. (Oder ein Oriverge, falls einem die namentlich referenzierten Klassiker aufgrund der eigenen späten Geburt nichts mehr sagen sollten.) Ich erkunde also ohne Vorgabe eines konkreten Zieles mit dem kleinen Käferritter die dunklen Schächte, treffe dabei auf allerlei kuriose, mal freundlich, mal feindlich gesinnte Kreaturen und erschließe mir nach und nach neue Wege, Fertigkeiten und Erkenntnisse über die Bewohner all dieser sonderbaren Ortschaften. Das ist nicht immer einfach, denn in jedem neuen Abschnitt stehe ich zunächst ohne Karte da. Deshalb sollte man sich stets zuerst auf die Suche nach Cornifer machen, der… ach, Moment, wer Cornifer ist?
Das ist Cornifer:
Cornifer (Smiley mit Herzaugen) ist super und ich höre ihn manchmal aus der Ferne singen. Dann muss ich nur seinen verloren gegangenen Papierseiten folgen und kann bei ihm eine unvollständige Karte des jeweiligen Gebietes erwerben. Den Rest muss ich jedoch selbst kartographieren und da bleibt es eben nicht aus, dass ich den einen oder anderen Abschnitt erneut aufsuchen muss. Nicht zuletzt, weil mir zunächst oft noch die Fähigkeiten fehlen, um bestimmte Bereiche überhaupt erreichen zu können. Oder mein Käferritter nach einem verlorenen Kampf mal wieder chitinverschmiert am Boden liegt und ich vom Ort der letzten Rast zurück zur Unglücksstelle hasten muss, um die Überreste wieder aufzusammeln. Diese Art der Todesmechanik ist schließlich mittlerweile Konsens und gehört folglich zu jedem guten Spiel dazu.
Achtung, eine Schnecke!!!
Puh!
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass der hohle Ritter mit einem Nagel kämpft? Mit einem Nagel! Alles in diesem Spiel überschüttet mich mit fast in Vergessenheit geratenen Glücksgefühlen. Der Schwierigkeitsgrad markiert genau die dünne Linie zwischen „Das schaff‘ ich mit links!“ und „RAGEQUIT!“ und vermittelt mir zu jedem Zeitpunkt das wohlige Gefühl, herausgefordert, jedoch niemals überfordert zu sein. Dazu tragen auch die äußerst reaktionsfreudige Steuerung und die niemals unfair wirkenden Bossgegner bei. Das Revers meines kleinen Krabblers verfügt zudem über Steckplätze für die winzigen, im Spiel zu findenden Anstecker, die ihm besondere Eigenschaften verleihen. Diese sind jedoch in ihrer Anzahl arg begrenzt, sodass ich mich für einen gewissen Spielstil entscheiden muss, laberlaber… eigentlich schreibe ich das nur, um mich selbst davon abzuhalten, noch mehr Bilder einzubinden. Aber es hilft ja doch nichts…
An die folgende Szene kann ich mich nicht jetzt mehr so ganz genau erinnern, macht aber nichts (ich hoffe, niemand ruft das hier mit seinem Smartie unterwegs auf, aber in ein paar Tagen gibt’s ja eh neues Datenvolumen):
Und der Trailer natürlich:
Hollow Knight frischt die in die Jahre gekommene Blaupause für das zweidimensionale Erkundungsgenre mit zarten Akzenten auf und ist nach Ori and the Blind Forest erst das zweite Spiel dieser Art, das mich auch auf einer emotionalen Ebene wunschlos glücklich hinterlässt. Umso trauriger ist es, dass solch ein besonderes Spiel von der Masse an qualitativ hochwertigen Frühjahrsveröffentlichungen nun vermutlich zerquetscht werden wird. Aber das ist eben immer die Gefahr, wenn man unterhalb der Grasnarbe lebt.
Der kleine Ritter mag innen hohl sein, doch er ist es nur, damit ich ihn mit all meiner Liebe füllen kann. Und er hat gewiss noch genug Platz in seiner Schale, dass andere es mir gleichtun können.