Ein unendliches Universum, endliche Möglichkeiten.
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Entschuldigt, 65daysofstatic. Ihr habt mit eurer musikalischen Untermalung des größten Hypes des Jahres ganze Arbeit geleistet und eine wunderbar dichte wie abwechslungsreiche Soundkulisse für den Trek durch das Universum geschaffen. Eure Arbeit ist so gut, dass man fast vergessen kann, dass euer Bindeglied zwischen Electronica und Postrock – wie auch No Man’s Sky selbst – prozedural generiert wird und damit in zufälliger Zusammensetzung aus den Boxen schallt. Aber eigentlich passt eure weit verästelte Musik dann doch nicht so gut zum Open-World-Titel, der eben jene offene Welt allzu oft auf eine kosmische Wahrheit und Konstante herunterdestilliert: Ohne Fleiß kein Preis.
“That’s the sound of the men working on the chain gang” – genau um diese Verdichtung einer ganzen Lebenswelt seitens Soul-Legende Sam Cooke geht es im Monumental-Projekt von Hello Games, dem schnell Molyneuxismus vorgeworfen wurde und das tragischerweise wie ein Nachzügler zu all den Überlebenssimulatoren von Rust bis DayZ wirkt. Huh! Baue auf einem zufällig generierten, wahlweise radioaktiv verseuchten, schweinekalten oder -heißen, oder von giftigem Regen geplagten Planeten Rohstoffe wie Plutonium, Kupfer oder Zink ab. Hah! Setze die Rohstoffe ein, um Komponenten wie Laser für dein Raumschiff, bessere Lebenserhaltungssysteme für deine Exo-Suit oder Waffen- und Bergbau-Bausteine für dein Multi-Tool herzustellen. Huh! Verbessere diese Komponenten, um die Arbeitsabläufe zwischen Abbau und Herstellung effizienter zu gestalten. Hah! Wiederhole das bis in die Unendlichkeit.
Wobei, nicht ganz. Zwar bietet No Man’s Sky eine riesige Anzahl an erforschbaren Planeten, relativ früh wird mir jedoch eine Story beinahe aufgezwungen. Ich muss, aus welchem Grund auch immer, dem Atlas folgen, einer Entität, die scheinbar für die Erschaffung des Universums verantwortlich ist und mir als Belohnung Atlas-Steine überlässt. Um die Interfaces zu erreichen, brauche ich einen Hyperdrive-Antrieb. Dieser muss zunächst hergestellt und schließlich regelmäßig mit Warp-Zellen aufgefüllt werden, die ich am Ende einer der zahlreichen Wertschöpfungsketten des Spiels erhalte. Dafür muss ich allerdings wiederum Rohstoffe sammeln, Einzelteile bauen oder diese mit durch Katalogisierung von Flora, Fauna und Planetensystemen oder Handel mit außerirdischen Lebensformen verdienten Credits erwerben – und mich wieder in den endlosen Zyklus stürzen.
All das mag Gelegenheitsspieler abschrecken. Man spielt schließlich nicht, um zu arbeiten. No Man’s Sky beweist allerdings gerade in seinen Nuancen, wie sehr sich diese Arbeit lohnen kann. Ähnlich wie in der Dark Souls-Reihe, erschließen sich die Hintergründe der Spielwelt in Beschreibungstexten und Mini-Ereignissen, wenn ich beispielsweise einen Alien-Monolithen entdecke und die Geschichte und Kultur der drei Rassen nachvollziehe oder mich durch die Daten-Logs längst verstorbener Entdecker wühle und beunruhigende Begebenheiten nachlese. Das sorgt, bei all der Leere im unendlichen Universum, für tatsächliche Immersion.
Gleichzeitig wirft es aber auch die Frage auf, warum beispielsweise hinsichtlich der Anzahl an Alien-Kulturen die Vielfalt vernachlässigt wird und die narrative und logische Diskrepanz – warum gibt es nicht mehr Rassen, welcher Rasse gehöre ich an, dass ich die Sprachen der Korvax, Vy’keen und Gek nicht beherrsche – nicht wirklich aufgelöst wird. Für Freunde drakonischer Götterstrafen ist das Spiel aber definitiv ein feuchter Traum: unzählige Lebensformen und Pflanzen warten auf ihre Entdeckung, die Wörter aller drei Alien-Sprachen wollen gelernt werden, und das neue Schiff mit zusätzlichem Lagerraum wartet ebenso an der nächsten Ecke.
Was macht es da schon, dass einige der ebenfalls zufällig zusammengewürfelten Tiere aussehen wie frankenstein’sche Experimente? Dass ich mir nicht wie in den oben genannten Titeln Stunden, Tage, Wochen mit Basisbau um die Ohren schlagen kann? Dass die vermeidbaren Kampfsequenzen sowohl auf dem Boden als auch in der Luft und im Weltall wie ein unnützer Wurmfortsatz wirken? Grafisch schwimmt No Man’s Sky mit seiner Farbpracht wie eine bunt schillernde Haut auf der drögen blaugrüngrauen AAA-Suppe und der Soundtrack ist ein absolutes Meisterwerk. Dank der, wenn auch obskuren, linearen Geschichte umgeht das Spiel zudem den leidigen Fallstrick nahezu aller Open-World-Titel, das allzu planlose Herumstreifen.
Wäre Hello Games’ großer Wurf ein Lebewesen, es wäre ein besonders schönes, weil unvollkommenes Exemplar. Mit Fehlern und Unzulänglichkeiten, aber auch mit Eigenschaften, die es liebenswert machen. Zumindest so liebenswert, wie jemand sein kann, der mich als Steineklopper und Fließbandarbeiter zwangsrekrutiert. Huh! Hah!