Ludum Dare 33: Passengers
Das Bild von Aylan Kurdi ging um die Welt. Scheinbar musste Europa erst ein totes Kind sehen, um mehr als eine bloße Statistik in den tausenden im Mittelmeer verlorenen Leben zu erkennen. Das beim 33. Ludum Dare entstandene Passengers ist ein auf den ersten Blick unscheinbares Spiel, das sich genau damit auseinandersetzt.
Mit fröhlicher 8bit-Musik präsentiert es die Flucht nach Europa als zynische Wirtschaftssimulation. Ist ein Boot gefunden und die Schleuser bestochen, werden die Passagiere eingeladen. Die anschließende Überfahrt läuft automatisch und außerhalb der Kontrolle der Spielenden. Ob Stürme, andere Schleuser oder die Küstenwache den mit einer Handvoll Pixel dargestellten, rostigen Kahn versenken, macht im Spiel keinen Unterschied. Kurz zuvor standen sie noch als bunte Figuren am Pier und warteten auf das Schiff, das sie fort bringt. Eine Musiklehrerin, die deutsche Opern liebt. Eine Künstlerin, die im Krieg alles verloren hat. Manche handeln mit Drogen, lieben Comics, sind religiös oder nicht. Manche haben nichts über sich zu erzählen. Sie wollen nach Spanien, Frankreich oder Deutschland. Ein Druck auf meine Tastatur reicht, um ihre Lebensgeschichte auszublenden und sie wegzuschicken.
Passengers thematisiert die Unmenschlichkeit von Grenzen durch eine distanzierte Spielmechanik und schafft es gleichzeitig, die Menschen hinter der groben Pixelgrafik als eben das darzustellen: menschlich. Es erinnert dabei auf mehrere Arten an Papers, Please, nicht zuletzt da ihm eine ähnliche Gratwanderung gelingt. Ein komischer Beigeschmack bleibt dennoch. Was für Themen kann, darf und sollte ein Videospiel aufgreifen? Ist es angesichts der humanitären Katastrophe und der tausenden Toten an den Grenzen der Festung Europa angemessen, dieses Thema aus seinem eigenen, sicheren Wohlstand in etwas so banalem wie einem Spiel aufzuarbeiten? Ich bin letztendlich nicht in der Position zu beurteilen, ob Passengers angemessen ist. Ich weiß aber, dass diese fünf Minuten mir mehr mitgegeben haben, als eine weitere trocken vorgetragene Statistik in der Tagesschau. Und weniger zynisch ist die eigentlich auch nicht.