Autor: Marcus Dittmar

Marcus Dittmar

Richter und Henker: Der Tod eines Avatars

Dass das US-amerikanische Entwicklerstudio ArenaNet durchaus eine zynische Ader besitzt, bewiesen sie bereits vor über 10 Jahren. Zum Ende der Beta-Phase ihres MMORPG-Hits Guild Wars sorgte damals ein junges Mädchen namens Gwen mit einem saftigen Meteorschauer dafür, dass alle Anwesenden in der Hauptstadt Löwenstein ihr virtuelles Leben verloren. Es war ein spektakuläres Schauspiel, bei dem niemand etwas verlor, was ihm nicht eh mit dem zur Veröffentlichung üblichen Charakter-Reset genommen worden wäre. (…)

Environmental Station Alpha: Innere Schönheit

Bisweilen reichen bereits wenige Pixel aus, um eine dichtere und intensivere Atmosphäre zu schaffen, als es manch ein dickwanstiger Grafikblender vermag. Environmental Station Alpha von Arvi Teikari mag auf Screenshots so nichtssagend anmuten, wie die unkenntlich gemachten Gesichter mutmaßlicher Serienmörder, die man auf den Titelseiten von Pausenraumgazetten finden kann. Jedoch entwickelt das spartanische Design in Kombination mit einem im Ohr verharrenden Soundtrack und exzellenten, metroidartigen Orientierungsrätseln eine völlig unerwartete Dringlichkeit. (…)

Pillars of Eternity: Mut zur Lücke

Anfang der 2000er spielte ich ein Rollenspiel namens Arcanum, das bei der Charaktererschaffung ein blankes Feld bereithielt. Eine leere Textbox, die mich aufforderte, meine eigene Geschichte zu erzählen, noch bevor das eigentliche Abenteuer beginnen sollte. Wer bin ich, wo komme ich her, was habe ich erlebt, dass ich mich so verhalte, wie ich es fortan im Spiel zu tun gedenke? (…)

Trolle füttern – Was der Tod von Rachel Bryk lehren kann

Am 23. April 2015 sprang Rachel Bryk in New York von einer Brücke in den Tod. Bryk machte sich einen Namen durch ihre umfassende Mitarbeit am Dolphin Emulator, zog sich zuletzt jedoch zunehmend aufgrund anhaltender transphobischer Belästigungen ihr gegenüber aus verschiedenen Community-Foren zurück. Womöglich war es nun dennoch ein anonymer Online-Kommentar zu viel, der ihr wenig subtil den finalen Sprung ans Herz legte. (…)

GameLoading: Rise of the Indies – Die Labskaus-Dokumentation

Labskaus ist ein eher kontrovers aufgenommenes Gericht nordischer Kochkunst. Jede Menge leckerer Zutaten werden zu einem Brei gepanscht, der am Ende die Geschmacksnerven vielleicht doch ein wenig überstrapaziert. Die Indiegame-Dokumentation GameLoading: Rise of the Indies fühlt sich genauso an, wie der Moment, in dem gleichzeitig Rollmops, Rote Bete, Spiegelei und Schweineschmalz den Gaumen kitzeln. (…)

Das Medium der Vorläufigkeit: Keine Spiele in Museen

Ich habe Der Fänger im Roggen nicht gelesen, Pet Sounds nie gehört, Citizen Kane nicht gesehen und Silent Hill nie gespielt. Alle genannten Titel gelten, ungeachtet ihres fortgeschrittenen Alters, als wahre Meisterwerke ihres jeweiligen Mediums, darum empfinde ich sie als kulturelle Bildungslücken, die ich Zeit meines Lebens zu schließen gedenke. Wäre ja auch zu peinlich, bei Jauch auf dem Stuhl zu sitzen und die 500€-Frage nach der Nachladetaste auf dem Gamepad nicht beantworten zu können. (…)

Einsame Straßenkämpfer: Das Exklusivitätsdilemma

Der Psychologe Barry Schwartz stand laut eigener Aussage einst vor einem Supermarktregal, gefüllt mit 175 verschiedenen Salatdressings, und wusste nicht, wie er sich bei einer solch übermannenden Auswahl für eines davon entscheiden sollte. In einer Gesellschaft, die Konkurrenz als belebend und die Wahlfreiheit als Weg zum Glück propagiert, fühlte er sich gelähmt und überfordert damit, zwischen dutzenden French- und Honig-Senf-Variationen entscheiden zu müssen. Seine Freiheit hatte ihn unfrei gemacht. (…)

Darkest Dungeon: Gebrochene Helden

Ich war im Krieg und sah eben noch lebendige Körper durch die Luft fliegen. Ich habe mich in der radioaktiv verseuchten Wüste von herumliegenden Leichen ernährt und hunderte Male verwundete Gliedmaßen wieder zusammengeflickt, unzählige Autounfälle erlebt und steckte dutzende Male in unfreundlichen Verliesen mit abscheulichen Monstrositäten fest. Dass ich dennoch nachts ruhig schlafen kann, liegt daran, dass all diese Erlebnisse nicht real waren. (…)

Walker/Molyneux: Peter und der Wolf

Als US-Präsident Barack Obama in dieser Woche vergeblich versuchte, einen zu groß geratenen Keks in ein Glas Milch zu tunken, spielte er damit auf ein Meme an, das aus einer immer mehr ins Absurde abdriftenden Schuldzuschieberei gegen seine Person resultierte. Neben der berechtigten Kritik an nicht gehaltenen Wahlversprechen, sollte das Staatsoberhaupt plötzlich auch verantwortlich dafür sein, dass das Lieblingsbier im Supermarkt vergriffen war oder die eigene Ehe in Scherben lag. (…)

Apotheon: Der gute Ton

Kratos‘ Rachefeldzüge durch den Olymp waren in erster Linie blutig, doch hinterließ er auch ein Ausmaß an Sachbeschädigung, das beim Anblick des jüngst erschienenen 2D-Action-Adventures Apotheon die wahre Tragödie seiner Taten darstellt. Wenn auf all den zerschmetterten Amphoren des von ihm durchstreiften Keramik-Outlets der altgriechischen Mythologie solch feinziselierte Pinselstriche Verwendung fanden, wie bei der grafischen Gestaltung dieses bildhübschen Titels, mag man sich den Verlust für die Kunstnachwelt gar nicht ausmalen. (…)

Reingehaun: Das Ende von Game One

Am Ende stehen alle ganz still. Jeder einzelne, der dabei geholfen hat, über die letzten acht Jahre hinweg das wohl konstanteste und liebenswerteste TV-Format für Videospiele zu produzieren, erstarrt in teils aberwitziger Kostümierung und nur von einer dudelnden Plastikorgel begleitet zu einer Salzsäule. Es wirkt fast so, als würden sie alle nur darauf warten, dass ein Auslösegeräusch ihr heiß ersehntes Abschlussfoto festhält. (…)

Marcus Dittmar

Marcus ist einfach voll der gute Typ!